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Galerie Flechtheim [Contr.]
Der Querschnitt — 16.1936

DOI issue:
Heft 5
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Marginalien
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https://doi.org/10.11588/diglit.74679#0419

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DAS MANNEQUIN
Man höre herum bei den Müttern
unserer braven deutschen Töchter:
Mannequin? Das nennen Sie einen Be^
ruf für mein Kind? So was Unsolides
muten Sie unserer Familie zu? Und gibt
es überhaupt eine Familie, die das ihrem
Kinde zumutete? Lieber schicke ich
meine Tochter ins Kaufhaus und lasse
sie acht Stunden lang Büroartikel eim
wickeln !
So die Meinung der Mütter. Und
es soll ihnen hier auch gewiß nicht
widersprochen werden. Mannequin ist
weder ein Beruf noch ein Stand. Es ist
kein Beruf, weil man es nicht erlernen
und auch nicht bis zur Altersschwäche

hinauf erhalten kann, und kein Stand,
weil es der vollkommenste Querschnitt
ist durch sämtliche denkbaren sozialen
Kategorien. Zu einem Beruf gehört
immer mindestens ein Geisteskorn.
Daß dies beim Mannequin nicht vor^
handen zu sein braucht, besagt der
Name. Mannequin heißt laut Duden
soviel wie: Gliedermann oder Gliedern
puppe. Beim Mannequin sind also aus^
schließlich die Glieder eine Eigene
schaft oder ein Talent. Das Gliedern
puppesein lernt man nicht wie einen
Beruf — das ist man. Es muß einem also
im Blute liegen? Nein, die „Glieder"
sagen's ja: weder im Blute, noch im
Kopfe, noch im Herzen, noch im

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