Galerie Flechtheim [Mitarb.]
Der Querschnitt
— 16.1936
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https://doi.org/10.11588/diglit.74679#0458
DOI Heft:
Heft 6
DOI Artikel:Borresholm, Boris von: Die "Sandbank" von 1900
DOI Artikel:Die Jahrhundertwende in Büchertiteln
DOI Seite / Zitierlink:https://doi.org/10.11588/diglit.74679#0458
Dem Spießer war es vorbehalten — und das kann als endgültiger Beweis für seine
extreme Rückschrittlichkeit angesehen werden —, ihm war es also vorbehalten,
eine physiologische Abundanz vermittels kultischer Pflege zu konservieren.
Der Bildungsstand des Spießers in jener Zeit umfaßte die Gebiete der Literatur
vom Annoncenteil seiner Zeitung bis zum goldbeschrifteten Bücherrücken der
Klassikerausgabe, vom Gips^Dante auf dem Sofaregal bis zum „Letzten Mann",
von der Wacht am Rhein bis zum Trompeter von Säckingen. Den Sozialismus
glaubte er mit der Verbeamtung der Arbeiterklasse, in der das Alter die Beförderung
entschied, verwirklicht, so daß jeder Arbeiter Geheimrat werden konnte, wenn er
lyo Jahre alt war. ..
Nichtsdestoweniger hat das bloße Vorhandensein einer Lebensform, wie sie
unsere Eltern repräsentierten, als ihren Gegenpol jene eigentümliche Kultur^
atmosphäre der Boheme hervorgerufen, deren ganze Existenz einzig in dieser eigene
artigen Spannung zum Philistertum bestand, und der wir — abseits von dem lang^
samen Vordringen der großen Epoche des Naturalismus — u. a. das Phänomen
Wedekind zu verdanken haben. Das ist, geistesgeschichtlich gesehen, die einzige
positive Seite eines Lebensalters, das aus der Romantik Friedrich Wilhelms IV.
herausgewachsen war, dann aber ohne Zusammenhang wie eine Sandbank im
Strom einer neuen Zeitepoche dastand und von der folgenden Generation über^
flutet wurde.
Die Jahrhundertwende in Büchertiteln
Töchter der Sünde, Geschichten aus dem dunkelsten Leben. Von Gustav Adolf Müller.
Ist es das Herz? Roman von Jon von Goldmar.
Gräfin Julie, Einige Kapitel Liebeswahnsinn. Von August Weißl.
Marion, die Sängerin des cafe chantant. Roman von Anni Vivanti.
Die verkaufte Großmutter, mit acht farbigen Beilagen von Hanns Heinz Ewers.
Schülertagebuch. Von Walter Unus.
Der Liebesbrief meiner Köchin. Von Manuel Schnitzer.
Gebet und Anfechtung. Roman von Amalie Skram (Spezialität: Eheromane).
Flucht aus der Mietskaserne. Eine Wohn^ und Baugeschichte von Johann Hennrich (Schulte vom
Brühl).
Stirner^Brevier: Die Stärke des Einsamen, elegant gebunden, aparte Ausstattung.
Kathinka von Rosen: Zur Dienstbotenfrage.
Der Schmetterlingskuß: Tagebuch einer Zwanzigjährigen. Von Felix Hübel.
Ein einziger Mann. (Psychologische Studie über den Ehebruch in den höheren Ständen.
Preis —.75 Mk.) Von F. Telones.
Die Stellung der Frau im Eisenbahndienst. Von Ella Kaufmann.
Brautstandsmoral. (Siebente Auflage.) Von Robert Michels.
Brennende Fragen. (Drei Kapitel reform. Inhalts.) Von Lovise Hackl.
Entlobungstragödien. Von derselben Verfasserin.
Elternpflicht und Kindesrecht. (Beitrag zur freien Heiratswahl.) Von Pastor Theodor Riebeling.
Die Wagner^Kette. Eine moderne Liebesnovelle. Von Ellen Walter.
Herzensangelegenheiten. (Amerikanische Humoresken.) Von B. A. Baer.
Zucht. (Sittengesch. Roman aus dem Berl. Gesellsch. Leben.) Von Max Urbar.
Leda mit dem Schwan. Novellen. Von Curt. J. W.
Das Feigenblatt. (Eine Gelegenheitsgeschichte.) Von Ellen Walter.
Ich bin Subalternbeamter. Von Wilhelm Uhde.
330
extreme Rückschrittlichkeit angesehen werden —, ihm war es also vorbehalten,
eine physiologische Abundanz vermittels kultischer Pflege zu konservieren.
Der Bildungsstand des Spießers in jener Zeit umfaßte die Gebiete der Literatur
vom Annoncenteil seiner Zeitung bis zum goldbeschrifteten Bücherrücken der
Klassikerausgabe, vom Gips^Dante auf dem Sofaregal bis zum „Letzten Mann",
von der Wacht am Rhein bis zum Trompeter von Säckingen. Den Sozialismus
glaubte er mit der Verbeamtung der Arbeiterklasse, in der das Alter die Beförderung
entschied, verwirklicht, so daß jeder Arbeiter Geheimrat werden konnte, wenn er
lyo Jahre alt war. ..
Nichtsdestoweniger hat das bloße Vorhandensein einer Lebensform, wie sie
unsere Eltern repräsentierten, als ihren Gegenpol jene eigentümliche Kultur^
atmosphäre der Boheme hervorgerufen, deren ganze Existenz einzig in dieser eigene
artigen Spannung zum Philistertum bestand, und der wir — abseits von dem lang^
samen Vordringen der großen Epoche des Naturalismus — u. a. das Phänomen
Wedekind zu verdanken haben. Das ist, geistesgeschichtlich gesehen, die einzige
positive Seite eines Lebensalters, das aus der Romantik Friedrich Wilhelms IV.
herausgewachsen war, dann aber ohne Zusammenhang wie eine Sandbank im
Strom einer neuen Zeitepoche dastand und von der folgenden Generation über^
flutet wurde.
Die Jahrhundertwende in Büchertiteln
Töchter der Sünde, Geschichten aus dem dunkelsten Leben. Von Gustav Adolf Müller.
Ist es das Herz? Roman von Jon von Goldmar.
Gräfin Julie, Einige Kapitel Liebeswahnsinn. Von August Weißl.
Marion, die Sängerin des cafe chantant. Roman von Anni Vivanti.
Die verkaufte Großmutter, mit acht farbigen Beilagen von Hanns Heinz Ewers.
Schülertagebuch. Von Walter Unus.
Der Liebesbrief meiner Köchin. Von Manuel Schnitzer.
Gebet und Anfechtung. Roman von Amalie Skram (Spezialität: Eheromane).
Flucht aus der Mietskaserne. Eine Wohn^ und Baugeschichte von Johann Hennrich (Schulte vom
Brühl).
Stirner^Brevier: Die Stärke des Einsamen, elegant gebunden, aparte Ausstattung.
Kathinka von Rosen: Zur Dienstbotenfrage.
Der Schmetterlingskuß: Tagebuch einer Zwanzigjährigen. Von Felix Hübel.
Ein einziger Mann. (Psychologische Studie über den Ehebruch in den höheren Ständen.
Preis —.75 Mk.) Von F. Telones.
Die Stellung der Frau im Eisenbahndienst. Von Ella Kaufmann.
Brautstandsmoral. (Siebente Auflage.) Von Robert Michels.
Brennende Fragen. (Drei Kapitel reform. Inhalts.) Von Lovise Hackl.
Entlobungstragödien. Von derselben Verfasserin.
Elternpflicht und Kindesrecht. (Beitrag zur freien Heiratswahl.) Von Pastor Theodor Riebeling.
Die Wagner^Kette. Eine moderne Liebesnovelle. Von Ellen Walter.
Herzensangelegenheiten. (Amerikanische Humoresken.) Von B. A. Baer.
Zucht. (Sittengesch. Roman aus dem Berl. Gesellsch. Leben.) Von Max Urbar.
Leda mit dem Schwan. Novellen. Von Curt. J. W.
Das Feigenblatt. (Eine Gelegenheitsgeschichte.) Von Ellen Walter.
Ich bin Subalternbeamter. Von Wilhelm Uhde.
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