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Galerie Flechtheim [Contr.]
Der Querschnitt — 16.1936

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Heft 5
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Bamm, Peter: Krise des Nachhausebringens
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Heimeran, Ernst: Krise des Nachhausebringens
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https://doi.org/10.11588/diglit.74679#0405

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wäre ich kein so vollkommener Esel mehr. Alle Hoffnungen blieben unerfüllt,
alle Abenteuer noch zu wagen, alles Schicksal noch zu erwarten ...
Ja, so, genau so, würde ich es machen. Und das bezaubernde junge Mädchen
würde vielleicht sogar gelegentlich noch einmal an den alten Narren mit einem
hübschen Lächeln zurückdenken.
„Darf ich Sie nach Hause bringen . ..?" Nein, leider darf ich nicht.
KRISE DES NACHHAUSEBRINGENS
Von
ERNST HEIMERAN
Gymnasiastentanzstunde.
„Ach", seufzt Heidi beim Schlußwalzer, „ich hab so weit nach Hause!"
„Da hab ich's gut", erwidert ihr Partner, „ich wohne gleich um die Ecke."
Dieser Witz ist so alt, daß er auf heutige Verhältnisse kaum mehr zutrifft.
Selbst Gymnasiasten wissen seit einigen Jahrzehnten über Kavalierspflichten genau
Bescheid; mehr noch: sie haben sogar gelernt, sich darüber hinwegzusetzen und
drücken sich, wenn Heidi zu entfernt wohnt. Ihr Eltern heiratsfähiger Töchter:
zieht ins Zentrum!
Nirgends sind Männer so gern bereit, die Gleichberechtigung der Frau am
zuerkennen als in den Augenblicken, in denen es sich darum handelt, eine Dame
nach Hause zu bringen, an der einem nichts liegt. Man findet dann insgeheim,
dieses Fräulein ohne Reiz oder jene unternehmungswütige Tante gingen ja an>
sonsten auch solo durchs Dasein: warum nicht also auch dieses Mal? Man sagt das
natürlich nicht laut, stellt sich vielmehr begriffsstutzig wie jener Gymnasiast; und
was gar die Autobesitzer betrifft: es ist merkwürdig, wie oft in solchen Fällen
der Wagen kaputt ist oder dummerweise fast ohne Benzin, schon übersetzt, es regnet
herein, es zieht herein, man kann ihn wirklich nicht anbieten, leider.
Wie anders dagegen, wenn es sich um eine hübsche, interessante, amüsante
Frau handelt! Da werden die bequemsten Herren zu ausdauernden Fuß^
wanderern, und sämtliche Fahrzeuge sind auf der Höhe. Denn die Formen
der Höflichkeit unterliegen der Mode; aber das Gebahren des Herzens ist
immer das nämliche.
Höflichkeit ist eine Haltung, die in vielen Fällen gerade das verlangt, was man
lieber nicht täte, und daher wandelbar nach Erziehung, Charakter und herr^
sehender Anschauung; aber Liebe hat feste Formen — Urformen sozusagen.
Spricht man daher ganz allgemein von Begleitumständen, um die Sache beim
Worte zu nehmen, so denkt man am besten nur an die Begleitung geliebter
Personen. Wo, so überlege man sich nur, ist in der Literatur von der Heinie
begleitung gleichgültiger Personen die Rede? Fast nirgendwo; denn das wäre
ein reizloser Vorwurf. Wie reich dagegen ist die nämliche Kategorie der Dichtung
von Fällen, in denen liebenswerte Frauen nach Hause gebracht worden sind. Ein

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