Elegie auf das Biedermeier
Gesagt von Peter Gan
I
Wunder der Welt! Wie wird in einer Tasse,
in einer Foto, einem Almanach,
die unermeßlich reiche wirre Masse
verschlungner toter Tage wieder wach!
2
O Ewigkeit in einem Aquarelle
von sorgsam ungeschickter Mädchenhand!
Das Unscheinbare ist die schönste Schwelle
ins Wesentliche. Nimm dies bunte Band,
Die Seele der Kommode, und ich wette,
du hältst mit ihr den Zeitengeist am Saum
und hältst ein Weltall an der goldnen Kette,
und tausend Paradiese schafft dein Traum.
4
Oder besieh dir die Familienbilder,
so sorglich und nur scheinbar etwas kalt,
so nüchtern klar wie gute Firmenschilder.
Ja, selbst im Schlüsselloch wohnt noch Gestalt!
5
Und erst der Schlüssel selbst, welch ein Charakter!
Und wie gehört er zu dem alten Spind,
in dessen samtener und sanft vertrackter
Seele nur gute Dinge heimisch sind! —
6
Es waren Menschen, welche damals lebten.
Beschaulich nahmen sie das Dasein wahr,
und redliche, rechtschaffne Genien schwebten
still um des Bürgerherdes Hausaltar.
7
Man liebte, litt, man zweifelte, man glaubte,
man haßte, stritt, kam, ging, gewann, verlor,
betrog, stahl, plünderte, erschlug und raubte,
wie heute auch. Doch kommt es mir so vor,
331
Gesagt von Peter Gan
I
Wunder der Welt! Wie wird in einer Tasse,
in einer Foto, einem Almanach,
die unermeßlich reiche wirre Masse
verschlungner toter Tage wieder wach!
2
O Ewigkeit in einem Aquarelle
von sorgsam ungeschickter Mädchenhand!
Das Unscheinbare ist die schönste Schwelle
ins Wesentliche. Nimm dies bunte Band,
Die Seele der Kommode, und ich wette,
du hältst mit ihr den Zeitengeist am Saum
und hältst ein Weltall an der goldnen Kette,
und tausend Paradiese schafft dein Traum.
4
Oder besieh dir die Familienbilder,
so sorglich und nur scheinbar etwas kalt,
so nüchtern klar wie gute Firmenschilder.
Ja, selbst im Schlüsselloch wohnt noch Gestalt!
5
Und erst der Schlüssel selbst, welch ein Charakter!
Und wie gehört er zu dem alten Spind,
in dessen samtener und sanft vertrackter
Seele nur gute Dinge heimisch sind! —
6
Es waren Menschen, welche damals lebten.
Beschaulich nahmen sie das Dasein wahr,
und redliche, rechtschaffne Genien schwebten
still um des Bürgerherdes Hausaltar.
7
Man liebte, litt, man zweifelte, man glaubte,
man haßte, stritt, kam, ging, gewann, verlor,
betrog, stahl, plünderte, erschlug und raubte,
wie heute auch. Doch kommt es mir so vor,
331