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Galerie Flechtheim [Mitarb.]
Der Querschnitt — 16.1936

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Heft 7
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Benndorf, Werner: Hotel in Avignon
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https://doi.org/10.11588/diglit.74679#0559

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HOTEL IN AVIGNON
Von
WERNER BENNDORF
(Hotelgarten, einzelne Tische, von Hecken umgeben.)
— „Sie gestatten, Mademoiselle? Ich finde keinen anderen Tisch, an dem ich,
ohne zu stören, Platz nehmen dürfte."
— „S'il vous plait, Monsieur."
— „Danke sehr!"
(Pause. Verstohlenes Mustern. Zigarettenetui taucht auf aus gelbem Leder.)
— ,, Wünschen Sie eine Zigarette ?"
— „Sehr gern. Es sind englische ?"
— ,, Und woher haben Sie dieses reizende Etui?"
— ,, Von einem marokkanischen Freund."
— „Ah, arabische Handarbeit. Wie nett. Sie kennen Marokko?"
— „Beruflich .. . Einen Aperitif bitte, recht kalt!"
— „Lieben Sie diese traurigen Gewässer?"
— „Was heißt lieben! — in Frankreich trinke ich Aperitif, in Marokko Pfeffer*
minztee, — ich versuche mich anzupassen."
— „Deshalb haben Sie sich wohl an meinen Tisch gesetzt. Ich verstehe — Sie
ziehen in Frankreich französische Frauen vor — aber nun erlauben Sie... Wie
war das in Marokko ? Ich kenne das Land auch."
(Verlegenes männliches Husten.)
— „Schwer."
(Lächeln weiblich.)
— „Ich verstehe nicht ganz."
— „Ich werde es nicht deutlicher erklären. Ich habe keine Veranlassung."
— „Ah, Sie zeigen sich als sehr unhöflich. In Frankreich ist es Sitte, auf die
Fragen einer Dame Antwort zu geben. Sie haben sich selbst gefangen, und ich bin
gespannt, wie Sie sich dieser Fessel entwinden."
— „Gar nicht, Mademoiselle. Ich bin Deutscher."
— „Je le sais — dejä longtemps, et..."
— „Mademoiselle, die deutsche Höflichkeit unterscheidet sich von der französischen
in gewisser Weise. Sie werden verstehen."
— „Ich ivill nichts verstehen! Ich muß erfahren!"
— ,, Wir pflegen einer jungen Dame nicht in der ersten Stunde einer Bekanntschaft
von anderen Frauen zu erzählen. Und verstehen Sie, ich halte Sie für eine Dame —
de grande noblesse. Auf Ihrem Ring ist ein bekanntes Wappen. — Et Noblesse oblige!"
— „Sie sind ein guter Beobachter."
(Kellner stellt Aperitif hin. Grünlich. Schaum.)
— „Ich glaube, wir trinken noch eine Flasche Champagner, da wir gerade so nett
im Plaudern sind. Bitte — bringen Sie uns eine ... Ich darf Sie doch als meinen Gast
betrachten, da Sie einmal Gast in Frankreich sind?"
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