INDIANER VON MORGEN
Von
ROLF TIETGEN
Es ist verboten, daß du langes, glänzendes Haar hast und ein leuchtendes
rotes Tuch um den Kopf!
Es ist verboten, daß du silberne Armringe trägst und Türkisstücke als Ohr>
gehänge, Indianerjunge!
Ziehe deine Mokassins mit den silbernen Knöpfen aus und lasse die schwere
Türkishalskette zu Hause, die du vom Großvater geerbt hast, hier kannst du sie
nicht gebrauchen.
Ihr alle lernt nun Schreiben und Lesen, Mathen
matik und Kirchengeschichte, die ihr später be^
nötigt, denn ihr sollt brauchbare Staatsbürger
werden. Vergeßt die Sprache eures Stammes, sie
kann euch im Leben nichts nützen!
Wir schneiden euch das Haar kurz, wie ein
anständiger Mensch es trägt!
Wir waschen euch sauber!
Wir geben euch blaue Overalls als gute dauere
hafte Kleidung, jedem von euch einen gleichen!
Tawa — yao — ma, Federngeschmückte Sonne,
von heute an ist dein Name Gerald Williams und
du bist geboren am 5. September und wohnst im
Zimmer 114 zusammen mit Pawl und Sam."
Es sind moderne große Gebäude, die Indianern
schulen, mit eisernen Toren und leeren hallens
den Höfen, mit vielen Fenstern, von denen
manche vergittert sind. In den Zimmern stehen
einfache Möbel, die Wände sind roh überstrichen
und es gibt elektrische Klingeln in Gängen und
Höfen, die den Tag einteilen.
Aber vor den Toren draußen liegt freies, wildes Land unter dem großen Wüstens
himmel, dehnt sich von Horizont zu Horizont, ohne Telegraphenpfähle, ohne
Stacheldrahtzäune, ohne Reklameschilder.
In der Schule wird an langen Tischen ohne Tuch gegessen. Dann räumen die
Jungen die klappernden Blechgeschirre zusammen und reinigen Bänke und Boden,
kniend waschen sie die Fliesen der Küche. Zu zweien in langem einförmigen Zug
marschieren sie über den Hof. Ihre Schritte hallen von den Wänden. Sie haben
eine eigene Jazzkapelle und sie hören Radio. Sie lesen Zeitungen und Sonntags
gehen sie ins Kino. Aber sie tischlern, schlossern und zeichnen auch und daran
haben sie Freude.
Jack v. Reppert'Bismarck
95
Von
ROLF TIETGEN
Es ist verboten, daß du langes, glänzendes Haar hast und ein leuchtendes
rotes Tuch um den Kopf!
Es ist verboten, daß du silberne Armringe trägst und Türkisstücke als Ohr>
gehänge, Indianerjunge!
Ziehe deine Mokassins mit den silbernen Knöpfen aus und lasse die schwere
Türkishalskette zu Hause, die du vom Großvater geerbt hast, hier kannst du sie
nicht gebrauchen.
Ihr alle lernt nun Schreiben und Lesen, Mathen
matik und Kirchengeschichte, die ihr später be^
nötigt, denn ihr sollt brauchbare Staatsbürger
werden. Vergeßt die Sprache eures Stammes, sie
kann euch im Leben nichts nützen!
Wir schneiden euch das Haar kurz, wie ein
anständiger Mensch es trägt!
Wir waschen euch sauber!
Wir geben euch blaue Overalls als gute dauere
hafte Kleidung, jedem von euch einen gleichen!
Tawa — yao — ma, Federngeschmückte Sonne,
von heute an ist dein Name Gerald Williams und
du bist geboren am 5. September und wohnst im
Zimmer 114 zusammen mit Pawl und Sam."
Es sind moderne große Gebäude, die Indianern
schulen, mit eisernen Toren und leeren hallens
den Höfen, mit vielen Fenstern, von denen
manche vergittert sind. In den Zimmern stehen
einfache Möbel, die Wände sind roh überstrichen
und es gibt elektrische Klingeln in Gängen und
Höfen, die den Tag einteilen.
Aber vor den Toren draußen liegt freies, wildes Land unter dem großen Wüstens
himmel, dehnt sich von Horizont zu Horizont, ohne Telegraphenpfähle, ohne
Stacheldrahtzäune, ohne Reklameschilder.
In der Schule wird an langen Tischen ohne Tuch gegessen. Dann räumen die
Jungen die klappernden Blechgeschirre zusammen und reinigen Bänke und Boden,
kniend waschen sie die Fliesen der Küche. Zu zweien in langem einförmigen Zug
marschieren sie über den Hof. Ihre Schritte hallen von den Wänden. Sie haben
eine eigene Jazzkapelle und sie hören Radio. Sie lesen Zeitungen und Sonntags
gehen sie ins Kino. Aber sie tischlern, schlossern und zeichnen auch und daran
haben sie Freude.
Jack v. Reppert'Bismarck
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