Galerie Flechtheim [Contr.]
Der Querschnitt
— 16.1936
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https://doi.org/10.11588/diglit.74679#0475
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Heft 6
DOI article:Riedel, Paul Eugen: Der Menschenkenner
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DER MENSCHENKENNER
Fon PAUL EUGEN RIEDEL
Menschen, die imstande sind, den Charakter anderer Menschen zu erkennen,
nennt man Menschenkenner.
Vielgestaltig sind die Mittel, die zur Erforschung und zum Erkennen der
menschlichen Eigenschaften angewandt werden. Viele Leute sehen, wenn sie ihren
Nächsten erkennen wollen, auf die Absätze an Schuhen. Vorzüglich tun dies
Schwiegermütter bei der Abschätzung des Schwiegersohnes. Wenn die Tochter
alles in schönster Ordnung findet und ihren Auserwählten als den liebenswürdigsten
und bravsten Menschen lobt, so lautet doch nicht selten die mütterliche Be^
urteilung: „Kind, und wenn er wie ein Engel wäre, er hat krumme Absätze — und
da ist er unordentlich und schlampig."
Ein weiteres Mittel zur Beurteilung des Menschen sehen andere wieder in der
Art und Weise des Bindens der Krawatte. Lockerer, großer Krawattenknoten:
Geläuterter, erfahrener Charakter. Kleiner, fest zusammengezogener Knoten:
Unselbständiger Mensch ohne eigene Meinung, naiv, kleinlich. Dann wieder ein
anderes Mittel zur Erkennung des Menschen: Die Stellung des Fußes beim Gehen.
Fußspitzen direkt nach vorne: Unbeholfen, abhängig, leicht zu überreden. Fuß^
spitzen seitwärts beim Auftreten: Energischer, weitblickender Charakter. — Dann
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