Wie sie es sehen:
Zeichnung von Willy Heier
1. Der Schriftsteller, durch die Brille des Kritikers gesehen.
2. Der Kritiker, wie ihn der Schriftsteller sieht.
j. Der Verleger, wie ihn die beiden vorigen sehen.
4. Der Schriftsteller, wie er sich selber sieht
MARGINALIEN
„NEUE ILLUSIONEN"
Wenn man es genau bedenkt, so
wird auch das Variete im wesentlichen
aus Illusionen gezimmert, sei es, daß
sie aufgebaut, sei es, daß sie zerstört
werden. Und der Artist ist der beste,
der eine Illusion schafft, indem er mit
ihr spielt. Das spielerische Element im
Variete scheint uns überhaupt das
wesentlichste. Der akrobatische Akt an
sich ist nichts anderes als bloße Arbeit,
auch Leistung, Kraftanspannung und
Widerstandsüberwindung. Erst die spie^
lerische Verwandlung der Kraftleistung
im sogenannten Exzentrik^Akt macht
aus einer disziplinierten turnerischen
Vorführung eine heitere Sache. Der
vollendete Exzentrik^Akt schafft gerade
in der grotesken Überwindung der
Schwerkraft (die sich ja paradoxerweise
nur durch einen geschickten Kraftakt
vollzieht) jene heitere Illusion, die je^
dem Kinde und jedem naiven Gemüt
Spaß macht und in ihrer spielerischen
Überraschung genau so zum Lachen
zwingt wie die Überraschung der gut
sitzenden Pointe eines Witzes.
Meist sind sogar die erzählten Witze
im Variete viel belangloser als die ge^
sprungenen, gestemmten oder getanzt
ten. Diesem Unterschied seien ein paar
kritische Bemerkungen gewidmet, die
sich aus dem Besuch des letzten Pro^
gramms der drei führenden deutschen
Großstadtvarites in Berlin, der Scala,
dem Wintergarten und dem Europa*
variete ergeben.
Gerade wer die Heiterkeit des Va^
rietes ernst nimmt und es mit aller
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