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Galerie Flechtheim [Contr.]
Der Querschnitt — 16.1936

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Heft 3
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Scheuermann, Wilhelm: Immer noch Morganismus
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Graul, Richard: Das Pseudoskop
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.74679#0187

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tragen. Darum kauft er — - um nur von seinen Kunstsammlungen zu reden — als
Münzensammler deutsche und italienische Renaissancemedaillen für ein und zwei
Laubtaler das Stück, er kauft barbarische und frühe Mittelaltermünzen, welche
die Wissenschaft noch kaum zu entdecken begonnen hat, er kauft italienische
Majolika sein ganzes Majolikazimmer voll zu Preisen, für die später kaum ein
einziges mittleres Stück zu haben ist, er kauft altmeisterliche Handzeichnungen,
die uns heute als geschenkt anmuten. Bei ihm ist es ganz gleichgültig, ob sich die
Anlage später einmal durch einen Verkaufspreis (auf die Probe hat er es nie am
kommen lassen) rentiert, denn er wählt nur nach dem Gesichtspunkte aus, daß er
„nach Plan und Absicht zu seiner eigenen folgerechten Bildung gesammelt und
an jedem Stück seines Besitzes etwas gelernt hat", wie er in seiner letztwilligen Ven
fügung sagt. Er hätte sich als Angehöriger der echten Aristokratie der Sammler
mit dem alten Herrn im Keller von Laon wohl vertragen, wie er sich nicht gescheut
hat, mit dem Scharfrichter Hus in Eger, dem gemiedenen Mann, als Staatsminister
und Exzellenz in dessen mit Sammlungsschätzen vollgepfropften Häuschen zu
verkehren. Gäbe es davon einen Kupferstich, so könnte man ihn Sammlerphilosophie
nennen, und wenn er in entsprechenden Plattenzuständen vorkäme, würde er
vielleicht im Hotel Drouot oder bei Christie längst einen stattlichen Kurswert ge^
wonnen haben.

DAS PSEUDOSKOP
Von
RICHARD GRAUL
Gerade ein halbes Jahrhundert ist verflossen, seit Edmond Bonnaffe, ein seiner^
zeit geschätzter und geistreicher Kunstfreund und Sammler in Paris, die
gruselige Geschichte vom „Jüngsten Gericht des Künste und Kuriositätenhandels"
erzählt hat. Sein Freund Valentin hatte sie — im Traum — erlebt.
Rufe von der Straße, die das Jüngste Gericht der Kuriosität verkündeten,
hatten Valentin aufgeschreckt. Er eilte hinab und mischte sich unter die Menge,
die neugierig, erregt einem Zuge von Wagen folgte, auf denen Antiquitäten aller
Art, Bilder, Statuen, Mobilien, Keramik zuhauf geladen waren. Das alles sollte
dem Gericht zur Prüfung vorgeführt werden.
Als Valentin auf den Platz kam, wo das Gericht vor sich gehen würde, sah er
ganze Berge solcher Kunstgüter. Da nahte eine Schar ernst dreinschauender
Männer — die Richter, wie man ihm erklärte — und bestieg die Tribüne.
Unter den Klängen eines Trauermarsches folgten schwarzgekleidete Männer —
die Opfer. Es waren bekannte Sammler, gewitzigte Spekulanten, harmlose Museums^
leiter und Altertumsforscher, die aber den Fälschern ins Garn geraten waren und
nun vor dem höchsten Tribunal als Geschädigte ihre Klagen erheben wollten.
Bei dem Anblick dieser Unglücklichen entblößten die Zuschauer, von Mitleid
ergriffen, ihr Haupt und sie wurden nicht müde, einander von berühmten Fäh
schungen, die die breite Öffentlichkeit beschäftigt hatten, zu erzählen.

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