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Galerie Flechtheim [Contr.]
Der Querschnitt — 16.1936

DOI issue:
Heft 10
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Köster, Arnold: Takt und Tradition
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.74679#0799

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Westminster Fot. Fritz, Gotha-Braunschweig

TAKT UND TRADITION
Von
ARNOLD KÖSTER
Is ist durchaus zutreffend, England als einen Kontinent für sich zu
'— ✓ bezeichnen. Die Society als oberste Spitze einer straffen sozialen
Gliederung, der jedoch der Stachel klassenkämpferischen Geistes fast völlig
fehlt, ein Rechtssystem, das gar kein Rechtssystem nach kontinentalen
Begriffen darstellt, und viele andere nur geschichtlich zu erklärende Insti-
tutionen lassen keine Vergleichsmöglichkeiten mit Europa zu. Genau so
wenig wie europäische Maßstäbe für japanische Einrichtungen maßgebend
sein können, deren Form und Inhalt ebenfalls ein so starker insularer
Zug zur Superiorität und unbedingten Anerkennung anhaftet.
In welchem Maße dagegen das englische Königstum Symbol und Mythos
geworden ist, wird nur von wenigen erkannt. Das Jubiläum Georgs V.,
die Wirkung seiner letzten Weihnachtsbotschaft im Empire und seines
Todes zeigen, daß es hier eine Macht gibt, die ein ungeheures moralisches
Kapital in Händen hält. Seit Cromwell verabscheut der Engländer Revo-
lutionen. Es gibt nur einen möglichen sozialen Revolutionär in England,
und das ist der König. Eine kleine unmutige Äußerung Eduards VIII.
genügt, um aus Slums, den häßlichen Elendsvierteln dieses so reichen

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