Galerie Flechtheim [Contr.]
Der Querschnitt
— 16.1936
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https://doi.org/10.11588/diglit.74679#0597
DOI issue:
Heft 7
DOI article:Dehan, Aiken A.: Das Problem des Händewaschens
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Der ideale Architekt entwirft die Häuser
derart und richtet sie so ein, daß der Gast sich
unauffällig die Hände waschen kann. Er legt
vollständige Badezimmer (d. h. vollständig ab^
gesehen vom Bad) in der äußersten Ecke der
Garderobe im Erdgeschoß an. Er sorgt für mim
destens zwei Badezimmer im ersten Stock, die
in allen Einzelheiten vollständig sind und gegem
seitig außer Sicht liegen. Aber wer hat je von „
einem idealen Architekten gehört? Die meisten
Architekten sind geradezu unmenschlich. Sie
bringen die Baderäume an auffallenden Stellen
an; gewöhnlich sind sie herrlich von dem Zim^
mer aus sichtbar, in dem die Frauen ihre Garden
robe ablegen und ihre Kriegsbemalung auftragen.
Sie statten diese Baderäume mit Einrichtungen
aus, die eigentümliche Geräusche hervorbringen.
Sie unterlassen das Anbringen geeigneter Riegel an
den Türen und verstecken die Lichtschalter. Sie
Zeichnung von Walter Klemm
machen eine mehr oder weniger persönliche Ange^
legenheit, wie das Händewaschen es ist, zu einer Art halböffentlicher Zeremonie.
Es gibt Fälle, in denen selbst der Freimütigste diskret vorgehen muß. Einige
Male im Jahr besuche ich drei alte Jungfern, um Bridge mit ihnen zu spielen;
es sind drei der reizendsten alten Damen auf der Welt, aber auch drei der volh
kommensten Exemplare aus der mittelviktorianischen Zeit. Der Abend ist ge^
wöhnlich ein sehr gemischtes Vergnügen für mich, denn sie treffen keinerlei
Vorkehrung für das Händewaschen des Gastes.
Kürzlich machte ich mich zu einem dieser Pflichtbesuche auf den Weg. In
den vorhergegangenen Stunden hatte ich keine Flüssigkeit zu mir genommen
und weder Zucker noch Salz gegessen. Ich war ganz darauf eingerichtet, den
Abend mit einem Mindestmaß von Händewaschen zu verbringen. Aber der
kleine Ofen in meinem Auto versagte, und ich geriet in ein Verkehrsknäuel und
mußte in der Kälte sitzen, bis ich halb erfroren war. Ich hatte mich fast ent^
schlossen, die Verabredung nicht einzuhalten, als mir ein glänzender Einfall kam.
In der Nähe des Hauses, in dem ich den Besuch abstatten wollte, hielt ich an,
nahm die Motorhaube ab und beschmutzte meine Hände mit Schmiere. Dann
fuhr ich vor dem Hause vor, trat ein und erklärte mein Zuspätkommen mit einer
Motorstörung.
Der Leser gestatte, daß ich mich vollkommen klar ausdrücke. Ich sagte nicht,
daß ich meine Hände waschen möchte. Ich brauche nicht auf Einzelheiten eim
zugehen. Der Leser muß meinen Worten glauben, daß es nicht jene Art alter
Damen war, zu denen man etwas vom Händewaschen sagen könnte. Ich hielt
ihnen meine schmierigen Hände entgegen, und sie zeigten sich der Lage volh
kommen gewachsen. Sie begleiteten mich nach oben zum Badezimmer. Die eine
ging voraus und knipste das Licht an. Die zweite beeilte sich, um eines jener
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derart und richtet sie so ein, daß der Gast sich
unauffällig die Hände waschen kann. Er legt
vollständige Badezimmer (d. h. vollständig ab^
gesehen vom Bad) in der äußersten Ecke der
Garderobe im Erdgeschoß an. Er sorgt für mim
destens zwei Badezimmer im ersten Stock, die
in allen Einzelheiten vollständig sind und gegem
seitig außer Sicht liegen. Aber wer hat je von „
einem idealen Architekten gehört? Die meisten
Architekten sind geradezu unmenschlich. Sie
bringen die Baderäume an auffallenden Stellen
an; gewöhnlich sind sie herrlich von dem Zim^
mer aus sichtbar, in dem die Frauen ihre Garden
robe ablegen und ihre Kriegsbemalung auftragen.
Sie statten diese Baderäume mit Einrichtungen
aus, die eigentümliche Geräusche hervorbringen.
Sie unterlassen das Anbringen geeigneter Riegel an
den Türen und verstecken die Lichtschalter. Sie
Zeichnung von Walter Klemm
machen eine mehr oder weniger persönliche Ange^
legenheit, wie das Händewaschen es ist, zu einer Art halböffentlicher Zeremonie.
Es gibt Fälle, in denen selbst der Freimütigste diskret vorgehen muß. Einige
Male im Jahr besuche ich drei alte Jungfern, um Bridge mit ihnen zu spielen;
es sind drei der reizendsten alten Damen auf der Welt, aber auch drei der volh
kommensten Exemplare aus der mittelviktorianischen Zeit. Der Abend ist ge^
wöhnlich ein sehr gemischtes Vergnügen für mich, denn sie treffen keinerlei
Vorkehrung für das Händewaschen des Gastes.
Kürzlich machte ich mich zu einem dieser Pflichtbesuche auf den Weg. In
den vorhergegangenen Stunden hatte ich keine Flüssigkeit zu mir genommen
und weder Zucker noch Salz gegessen. Ich war ganz darauf eingerichtet, den
Abend mit einem Mindestmaß von Händewaschen zu verbringen. Aber der
kleine Ofen in meinem Auto versagte, und ich geriet in ein Verkehrsknäuel und
mußte in der Kälte sitzen, bis ich halb erfroren war. Ich hatte mich fast ent^
schlossen, die Verabredung nicht einzuhalten, als mir ein glänzender Einfall kam.
In der Nähe des Hauses, in dem ich den Besuch abstatten wollte, hielt ich an,
nahm die Motorhaube ab und beschmutzte meine Hände mit Schmiere. Dann
fuhr ich vor dem Hause vor, trat ein und erklärte mein Zuspätkommen mit einer
Motorstörung.
Der Leser gestatte, daß ich mich vollkommen klar ausdrücke. Ich sagte nicht,
daß ich meine Hände waschen möchte. Ich brauche nicht auf Einzelheiten eim
zugehen. Der Leser muß meinen Worten glauben, daß es nicht jene Art alter
Damen war, zu denen man etwas vom Händewaschen sagen könnte. Ich hielt
ihnen meine schmierigen Hände entgegen, und sie zeigten sich der Lage volh
kommen gewachsen. Sie begleiteten mich nach oben zum Badezimmer. Die eine
ging voraus und knipste das Licht an. Die zweite beeilte sich, um eines jener
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