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Galerie Flechtheim [Mitarb.]
Der Querschnitt — 16.1936

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Heft 1
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Eckardt, Johannes: Vom Bioskop zum Tonfilm
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https://doi.org/10.11588/diglit.74679#0043

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Das Auto der schlanken Dame

Bruno Bold

gehauchtem Beige bildet einen geschmackvollen Hintergrund zu dem urkräftigen
Blondhaar von Frau Memfis, das mit den Jahren leicht nachgehellt ist. Die glücke
lich kombinierten Barockmöbel sind ein Zeugnis kultivierter Art, hier ist kein
Stahlrohrtisch zu sehen, hier ist kein Modernseinwollen um jeden Preis, hier
spricht sich eine traditionsbewußte Seele deutlich aus. Glücklich kombiniert habe
ich gesagt: Ja, denn ein Teil des Barocks ist von Urvätern ererbt und ein Teil
von einem bekannten Bühnenbildner unnachahmlich nachgeahmt.
Ein Kleinod der Memfisschen Wohnung: die Leseecke mit einer Couch in
Doppelbreite. Hier huldigt die Künstlerin der rein geistigen Auseinandersetzung.
Ich sehe schwere Literatur fein geordnet auf dem Bücherbrett stehen, so unter
anderem die für jeden Bühnens oder Filmschaffenden wertvolle Hamburgische
Dramaturgie (von G. E. Lessing), dazu Kampfschriften, u. a. eine gegen die
Psychoanalyse. Auch das „Zwei mal zwei der Ehe" — erschienen im Verlag des
„Filmklatsches" — sehe ich zu meinem Entzücken daliegen. Vielleicht dürfen
wir daraus schließen, daß Carina Memfis — eine geborene Wetterau und ge#
schiedene Hinrichs — vielleicht doch wieder einmal vor den Altar treten wird,
um einen Gatten für immer an sich zu
schmieden.
Nun sitzt die Künstlerin, von des Tages
Müh' befreit, mir endlich gegenüber.
Aus einem in der Wand unsichtbar ver^
steckten Schränkchen hat sie Schnaps und
Gläser geholt, dann plaudert sie ohne
Umschweife los. Ihre Wiege hat in einem
Moorhof gestanden, und wohl niemand
wird dort dem Kind vom Moorhof —
es ist das siebente gewesen — gesungen
haben, daß sie dereinst — gegen den Willen
ihrer Eltern und unter Entzug jedes Un-
terhaltes — in die Stadt flüchten und
zur Bühne gehen würde. Überspringen
wir die Jahre der Mittellosigkeit — mit


Das Auto der dicken Dame

Bruno Bold

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