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Galerie Flechtheim [Mitarb.]
Der Querschnitt — 16.1936

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Heft 2
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Campanile, Achille: Bett-Philosophie
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https://doi.org/10.11588/diglit.74679#0122

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Die zärtlichsten Gedanken hat man zweifelsohne im Bett. Wenn wir im aufr
rechten Zustand dasselbe Herz hätten, das wir im Bett besitzen, wäre die Welt
unweit besser. Zwischen Ruhe, Liebe und Krankheit verteilt, verschlingt die Zeit,
die wir im Bett verbringen, ungefähr die Hälfte unseres Lebens, wenn nicht mehr,
so daß durch diese Bevorzugung das Bett alle anderen Möbel des Hauses an Be^
deutung überragt.
Oft kommt es vor, daß wir nicht einschlafen können und das Gehirn zu arbeiten
beginnt; in solchen Augenblicken möchten wir, mitten in der Nacht, aufstehen,
uns anziehen, um etwas zu erledigen, das wir von Woche zu Woche verschoben
haben, und das uns nun ganz dringend erscheint; aber da es Nacht ist, sind wir zu
unserem Leidwesen gezwungen, den Tag zu erwarten. Schließlich schläft man
dann doch ein, und wenn man am nächsten Morgen aufwacht, scheint uns die
Sache durchaus nicht mehr dringlich, und wir verschieben sie leichten Herzens
sogar auf einige Monate. Das Bett hat im allgemeinen für die Frauen eine
größere Bedeutung als für die Männer.
Und einmal wird der Tag kommen, an dem wir zum letztenmal im Bett liegen
werden. Dann werden wir unsere besten Kleider tragen, das Haus wird voller
Freunde sein und die Nachbarn werden sich wichtig tun. Unsere Angehörigen
werden wehklagen, schluchzen, verzweiflungsvoll die Hände ringen, und alle
werden unnütze Dinge verrichten. Keiner unter ihnen, der nicht eine besorgte
Miene zur Schau trüge, der nicht wie ein Löwe im Käfig wirkte.
Wir allein werden vollkommen ruhig sein.
Ausgestreckt auf dem wichtigsten Möbelstück des Hauses werden wir jenseits
der allgemeinen Unruhe verharren, und werden keineswegs die Gefühle unserer
Umgebung teilen. Wir werden keinerlei Gedanken haben. Nicht die geringsten.
Alle Fragen werden fortan für uns gelöst sein. Und während wir verzweiflungsvoll
weinten, als wir zum erstenmal in einem Bett lagen, wird nun beim letztenmal,
nicht gerade ein freudiges, sicher aber ein feines, zweideutiges und ironisches
Lächeln auf unseren Lippen ruhen.
(Berechtigte Übertragung aus dem Italienischen von A. L. Erne)

Boviste


Bruno Bold

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