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Galerie Flechtheim [Mitarb.]
Der Querschnitt — 16.1936

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Heft 3
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Koszella, Leo: Gegerbte Menschenhaut
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https://doi.org/10.11588/diglit.74679#0196

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Der englische Bibliophile Herbert Slater erwähnt ebenfalls zwei solche Bücher,
das eine ist in die Haut einer „Hexe" aus Yorkshire, die wegen Mordes gehängt
worden war, das andere in die Haut des Galgenvogels Cudmore eingebunden.
Auch der Fall des Professors August Reverdin in Genf blieb nicht unbekannt, dem
einer seiner Freunde testamentarisch ein Stück Haut vermachte. Da aber Reverdin
damit nichts anzufangen wußte, gab er es einem befreundeten Bibliophilen weiter,
der den „Almanach der Gefängnisse unter Robespierre" darin einbinden ließ.
Die Universitätsbibliothek in Göttingen besitzt einen Band der Werke des
Hippokrates, des bekanntesten und genialsten antiken Arztes. Dieser Band ist
ebenfalls in Menschenhaut gebunden, wie ein ausführlicher Vermerk auf der Innen'
seite des Deckels besagt.
Auch die erwähnten tibetanischen Priestertrommeln haben ein Gegenstück in
Deutschland. Des Hussittenführers,an Ziska Haut soll auf dessen eigenen Wunsch
auf Trommeln gespannt worden sein. Eine solche Trommel und eine ganze Räubern
haut besitzt das Städtische Museum in Zittau, während man in Dresden eine
ähnliche Janitscharentrommel aufbewahrt. Der Fall des vorher erwähnten Grafen
Erbach steht nämlich nicht vereinzelt da, weil es früher üblich war, besonders
Wilderern, aber auch Räubern, die Haut abzuziehen, um ein abschreckendes Bei'
spiel zu geben.
Der Königskronenfälscher. Um dieselbe Zeit, als die Sachverständigen
der staatlichen Museen nicht weniger als die großen Händler in Erregung waren
über die Enthüllung, welche die berühmte Tiara des Saitaphernes als eine
erst wenige Jahre alte Fälschung brandmarkte, tauchte eine andere sehr dunkle
Geschichte auf. Es wurde behauptet, daß ein großer Teil der berühmten alten
Kaisern und Königskronen, die sich in den Residenzschlössern Europas befinden,
gar nicht mehr die echten Originale seien, sondern sehr geschickte Fälschungen
einer italienischen Werkstätte. Ein sonst als Sammler nicht hervorgetretener ameri*
kanischer Dollarmagnat habe seinen Ehrgeiz darein gesetzt, eines nach dem
anderen dieser echten Denkmäler in seinen Besitz zu bekommen und dafür genaue
Nachahmungen unterschieben zu lassen. Die auf diese Weise in seine Hände ge^
ratenen Kronen wurden genau bezeichnet. Darnach sollte von den wirklich alten
Insignien der europäischen Dynastien nur noch ein einziges Stück dem Kronens
sammler bisher entgangen sein. Es wurden auch abwegige Abenteuer berichtet,
wie der Mann vorgegangen sei, der erst eine Schar von erwählten handwerklichen
Fälscherkünstlern in ganz unverdächtig wirkende kunstgeschichtliche Forscher
habe umdressieren lassen, denen er dann mit wohlbezahlter diplomatischer Hilfe
die streng behüteten Schatzkammern zu unauffälliger Gelehrtenarbeit habe
erschließen lassen. Es ist niemals herausgekommen, was vielleicht an wahrem Kern
in diesen Behauptungen gesteckt hat. Die Angaben waren zu begründet, als daß
man sie einfach als nachbörsliches Gerede des internationalen Kunstmarktes hätte
abtun können. Andrerseits konnte niemand den Umfang des Skandales ermessen,
wenn eine Untersuchung eröffnet worden wäre. So blieb die dunkle Geschichte im
Dunkeln, und man kann nur sagen: Vielleicht wartet hier ein Stoff auf den Film,
nachdem ihn sich die Dichter haben entgehen lassen.

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