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Galerie Flechtheim [Mitarb.]
Der Querschnitt — 16.1936

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Heft 4
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Brün, Theodor: Der Umbruchteufel
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https://doi.org/10.11588/diglit.74679#0312

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Ich habe nichts als meiner Lieder Pracht,
Ein selbstgeschmücktes kleines Leben,
Ein süßes Wort ist meine ganz Macht,
Sonst, Liebste, kann ich dir nichts geben.
Denn keine Tat ist mein, kein Ruhm,
Kein Sklave beugt sich vor mir nieder,
Mein Herz, mein Mund sind nur mein Eigentum,
Und meine traumverlorenen Lieder.
Ich wünschte mir, die ganze Welt wär' mein,
Dann würd' ich, Liebste, dein gedenken,
Denn über alles möcht' ich König sein,
Nur um es dir, nur dir zu schenken.
Aber so erschien das Gedicht nicht! Nach dem Satz: „Ein süßes Wort ist meine
ganze Macht..." kam bündig und schlicht: „Ferner ist daselbst ein Kozenm
Schulatlas und ein Fußball zu verkaufen. Zu besichtigen von 6 bis 8 Uhr. Theodor
Brun, Wien, 2. Bezirk, Valeriestraße 64."
Das Gedicht wurde in dieser Fassung von einem anderen Blatt nachgedruckt.
Mit dem redaktionellen Vermerk: „Als Musterbeispiel einer bedenklichen
Mischung von lyrischer und ironischer Begabung." Meinen wehmütigen Protest,
der eine entsprechende Berichtigung verlangte, erledigte das Blatt mit folgender
Notiz: „Ein junger Schriftsteller, namens Theodor Brun, von dem wir kürzlich
ein fragwürdiges Gedicht veröffentlicht haben, legt Wert auf die Feststellung,
daß er keinen Fußball zu verkaufen hat, sondern König sein möchte."
Nicht minder deprimierend war mein Abenteuer mit meinem Roman: „Erst
stirbt die Liebe, dann die Ehe." Viel Hoffnung machte mir der Schriftleiter nicht,
aber immerhin versprach er mir, bei Gelegenheit „etwas" aus dem Roman zu
veröffentlichen. Und so las ich eines Tages:
„Aphorismen über die Liebe.
Die Liebe ist eine Leidenschaft, die mit Freude sucht, was Leiden schafft. (J. H. Riesler.)
Erst stirbt die Liebe, dann die Ehe. (Theodor Brunner.)
Echt geliebt ist halb gelebt. (Balisches Volkslied, frei übertragen von Everett Bronx)..."
Von da ab gab es ständigen Kleinkrieg mit dem operationswütigen Setzkastens
kobold.
Kennen Sie meine Geschichte von dem Mann, der heiraten will und zu einem
Weisen geht, um sich beraten zu lassen?
„Was für eine Frau soll ich wählen?" fragte er. Der Weise riet ihm: „Nimm dir das Weib,
das dir vom Schicksal in den Schoß geworfen wird." Der Mann geht heim und wartet auf das
rätselhafte Ereignis. Eines Tages reitet ein Mädchen auf einem Esel an seinem Garten vorbei,
der Esel wird störrisch, wirft die Jungfrau ab und diese fliegt über den Zaun, dem Mann in den
Schoß. Er heiratet sie, doch schon nach wenigen Wochen steht er fluchend vor dem Weisen
und schnaubt Rache wegen der unglückseligen Wahl. Doch der Weise sagt: „Wir wollen gerecht
sein! Ich bin an deinem Unglück schuldlos, denn mein Rat war ehrlich gemeint. Die Frau, mit
der man glücklich werden kann, verdankt man dem Zufall. Aber auch dich trifft kein Vorwurf,
denn du hast nur einen guten Rat befolgt. Desgleichen auch nicht deine Frau, die deinem
Willen gefolgt ist und nicht ihrem eigenen. Aber der Schuldige soll seine gerechte Strafe
erhalten." „Wen gibt es da noch außer uns dreien?" fragt der Mann verblüfft. Da nimmt der
Weise einen Stock und prügelt den Esel durch."

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