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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 19.1927

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Sammler und Markt
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https://doi.org/10.11588/diglit.39946#0063

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höfischen Gebundenheit. Es werden blut-
durchpulste Menschen lebendig, die auf ihre
Art bessere Verdeutlicher ihrer Zeit sind, als
es die reizenden Rokoko-Masken der preußi-
schen Prinzessinnen je vermöchten — für die
I’esne nicht nur die Schablone der Haltung,
sondern auch die ewig gleiche Palette bereit-
hält.
Alles in allem rechtfertigt also dieser Ma-
ler die durch jene Ausstellung versuchte Eh-
renrettung und nachdem man ihn einmal
von einer anderen Seite kennenlernte, gewinnt
jedes neue Dokument seiner künstlcrichen
Arbeit von vornherein ein besonderes Inter-
esse. Als solches ist hier vorzustellen ein bis
dato unbekannt gebliebenes Doppelbildnis,
das auf der Ausstellung nicht zu sehen war,
aber eben erst in den Besitz der Galerie von
Goldschmidt-Wallerstein gekommen ist. Es
ist aus der durch den Krieg sequestrierten
Sammlung Thiem kürzlich aus Italien nach
Deutschland zurückgewandert und als vorläu-
fig noch nicht gedeutetes Bildnis ungemein
charakteristisch für jenen andern Pesne, der
nicht der Hofmaler zweier Könige, sondern
im besten Sinne Verkörperer seines bürger-
lichen Zeitalters gewesen ist.
Die Musikhistoriker seien zwecks Identifizie-
rung der Dargestellten aufgerufen. Ich selbst
habe das Gefühl, daß es sich hier um „wesent-
liche“ Persönlichkeiten handelt. Aber abge-
sehen von dieser im Augenblick noch unge-
lösten Frage nach den Dargestellten ist das
Bild, malerisch reizvoll wie wenige Porträts
der Zeit, innerhalb des Pesneschen Werkes so
vielsagend (es dürfte um 1760 entstanden sein),
daß es in jeder Beziehung die überlieferte An-
schauung von der Kunst dieses Meisters an
einer wichtigen Stelle durchbricht.
DER KUNSTMARKT Georg Biermann
Die Auktionen, die am 7. und 8. Dezember
bei Paul Cassirer stattfanden, brachten dem
harmlosen Material gemäß entsprechende
Preise. Vielleicht kam auch eine leise Depres-
sion hinzu, die von der damals gedrückten
Börse herweht. Von der Sammlung Bor-
ges sei daher nur genannt der „Hühnerhof“
von Hondccoeter, der mit 9 100 M. bezahlt
wurde. Von den Bronzen der S a m m 1 u n g
A. W„ Wien, die am gleichen Tage bei
Cassirer und Helbing ausgeboten wurden,
ging ein großer Teil unverkauft zurück. Es
scheint, daß augenblicklich wenig Interesse
für dieses Gebiet besteht. Wirklich gut be-
zahlt waren nur die Gobelins, auf die wir

in unserer Vorbesprechung auch besonders
hingewiesen haben. Für die drei Verdüren
Enghien, 16. Jahrhundert, wurden 52 000 M.
gezahlt. Der Bildteppich „Der Winter“, fran-
zösisch, zweite Hälfte des rö. Jahrhunderts,
Wolle und Seide gewirkt, 5,25: 2,80 brachte
ijooo M. Auch die ostasiatische Kunst
der Sammlung Alfred Sandack brachte nur
mäßige Preise, was aber auch hier wiederum
auf das nur mittelmäßige Material zurückzu-
führen ist. Für den chinesischen Priester aus
der Mingh-Zeit wurden g5o M. bezahlt. Die
Medizindosen lagen zwischen 5o und 2Öo M.
Die Jadegegenstände zwischen 100 und 5ooM.
Nur die Chinavase, Jade hellgrün mit dunkel-
grünen Flecken, brachte es auf 1000 M. Die
beiden Blumentöpfe, rotes durchscheinendes
Glas, 35 cm hoch und i3cm im Durchmesser,
die auf 4—5oo M. eingeschätzt waren, gin-
gen mit 700 M. weg. Von den Plastiken sei
nur der Bodissathva China, Stein, mit 4ooM.
aufgeführt. Die japanischen Schwertstickblät-
ter kosteten zwischen 2 5 und (io M.
Die Versteigerung der keramischen Samm-
lung Friedrich Girtanner, Zürich und
Dr. Aurel von Dobay, Budapest, die am
9. und 10. Dezember bei Rudolf Lepke
stallfand, brachte für den Sammler sehr in-
teressante Ergebnisse. Bekannt ist das starke
Abflauen des Interesses für Porzellane nach
dem Kriege. Man interessierte sich ausschließ-
lich für Gebrauchsporzellane, sehr wenig je-
doch für Porzellanplastik. Miltclware ging
überhaupt nicht mehr, nur noch die großen
Stücke fanden Liebhaber. Dagegen hat die
Lepkesche Versteigerung ein neues Anwach-
sen des Porzellaninteresses gebracht. Die Schät-
zungspreise wurden zum Teil um ein bedeu-
tendes überschritten. Besonders interessiert
man sich für die Figuren der sogenannten
besten Epochen; mythologische Sachen will
niemand haben. Allein Figuren im Zeitkostüm
sind begehrt. Was die Geschirre anbetrifft, so
ist ein starkes Abflauen von Sevres und
Süddeutischland festzustellen, ein erneutes
Steigen von Meißen, das längere Zeit stark
vernachlässigt war und ein wachsendes Be-
gehren nach Berliner Porzellan.
Wir geben einige Preise: Für die Folge der
Weltteile, Modelle von Kandier, Meißen,zahlte
man 4 900 M.; für den „Harlekin“, Modell
von Kandier, 43y5 M.: für den „Harlekin mit
Krug“, Modell von Kandier, 345oM.
Das Gesamtergebnis der Auktion war ungefähr
155 000 M. Die wichtigsten Preise verzeichnet
unsere Beilage. A K
 
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