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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 19.1927

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Heft 3
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Kohlhaussen, Heinrich: Über eine gotische Lüneburger Truhe
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https://doi.org/10.11588/diglit.39946#0110

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nung ruht, von allen deutschen Quattrocentisten Stephan Lochner mit seinem
(auf der späteren niederländischen Reise wohl nicht zufällig von Dürer be-
trachteten) Dombild Dürer am nächsten kam. Und doch ist diese Kompo-
sition, was die Hauptgruppe anbetrifft, schon Jahrzehnte vor Lochner ähnlich
ausgeführt worden. Das sogenannte goldene Rössel in Altötting, jenes Wun-
derwerk französisch-burgundischer Goldschmiedekunst, das Isabella von Bayern
ihrem Gemahl, dem französischen König Karl Vf. zu Neujahr 1404 verehrte,
das wenige Jahre darauf als Pfand nach Bayern gelangte, zeigt die Madonna
in weicher, fülliger Schönheit mit dem Kind im Arm auf dem Thron; über
ihr halten schwebende Engel eine Perlenkrone, zu ihren Füßen St. Katharina
und die beiden Johannes als Kinder und davor König und Knappe in Vereh-
rung kniend, fast im Profil, und darin den aus »einem neuen Gefühl für Mo-
numentalität« (Wölfflin) in reinem Profil gegenübergesetzten parallelen Knie-
figuren, des Dürerbildes verwandter als alles dazwischen Liegende.
Es ist verlockend, sich vorzustellen, daß Dürer, dem ja sein Leben lang —
seiner Arbeit zum Nutzen — der Goldschmied und, wie seine Entwürfe
lehren, auch das Interesse an der Goldschmiedekunst anhaftete, dieses sicher
schon damals berühmte Schmelzwerk besichtigt hat1. Wäre dies bezeugt,
kein Mensch würde an inneren Zusammenhängen zweifeln. Aber auch ohne
diese Vorstellung bleibt die Verwandtschaft. Sie ist ein Beweis dafür, daß sich
im frühen 1 6. Jahrhundert die Hinterlassenschaft der Väter und die Sehnsucht
der Urväter in einem Punkt trafen und — Erfüllung fanden.
Nicht wegzuleugnen aber sind diese Zusammenhänge bei seinem Landsmann
Peter Vischer dem Älteren, für dessen wenig später entstandene Sebaldusgrab-
apostel zuerst der vielgeschmähle Blick der Romantiker Zusammenhänge mit
dem »Altdeutschen« erkannte. Dehio (Geschichte der deutschen Kunst, III,
S. 145) hat dann unlängst wieder nach einem den Sebaldusgrabaposteln wahl-
verwandten Geist in der deutschen Vergangenheit gesucht, den er im Meister
des Straßburger Engelspfeilers zu finden glaubte. Darüber hinaus hat jetzt
Simon Meller (P. Vischer der Ältere und seine Werkstatt, S. 166 ff.) ihre klar
zutage tretende Verwandtschaft mit deutschen Plastiken des 13. und 14. Jahr-
hunderts nachgewiesen. (Vgl. dazu unseren Lübecker Apostel Abb. g.) Doch
interpretiert er, vielleicht hierdurch beeinflußt, eine der Vischerliteratur be-
kannte und bisher zurückhaltend verwertete Notiz Kaiser Maximilians ganz
falsch, wenn er Peter Vischer den Älteren als Besitzer einer Sammlung von
3—400 altfränkischen Skulpturen erscheinen läßt. Die kaiserliche Eintragung
sei hier wiedergegeben: Item bey maister Peter rotschmidt zu Nurmberg dy
altfrenkischen pilcl ab lassen malen der er bey III bis 4 c haben sol, als Jeroni-
mus Haller ways.«
Von dem lebendigen, durch Wahlverwandtschaft bedingten Zusammengehen
1 Diese Wahrscheinlichkeit ist für das Goldene Rössel gering, da es 1506 als Pfand
aus dem niederbayrischen Herzogsschatz in das Chorstift Altötting verschrieben wurde,
dagegen ist das kompositioneile Gegenstück, das »Schöne, U. L. Frauen Bild« 1438 der
Frauenkirche Ingolstadt versprochen und dort bis zum Jahre 1801, dem Termin seiner
Zerstörung aus Gründen der Material Verwertung aufbewahrt gewesen. Vgl. Franken-
burger Zur Geschichte des Jngolstädter und Landshuter Herzogsschatzes. Rep. f. Kunstw.
44. 1924 S. 23fr.

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