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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 19.1927

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Heft 4
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Cunow, Heinrich: Der Zweck ethnographischer Museen
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https://doi.org/10.11588/diglit.39946#0131

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Auslese nötig, die sich darauf beschränkt,
das auszustellen, was für den Kultur-
gehalt eines bestimmten Volkes typisch
und für das Verständnis seiner Lebens-
weise nötig ist. Die verschiedenen Va-
rianten eines Typus und dessen Abarten
— bei Gebrauchsgegenständen, die nicht
mit der Maschine, sondern mit der
Hand hergestellt werden, gibt es ja
immer mannigfache Abweichnugen —
gehören in eine Studien- oder Magazin-
sammlung, wo derjenige, der Spezial-
studien treibt oder eine Abhandlung
über Herstellung und Verwendung der
betreffenden Gegenstände schreiben
will, sie aufsuchen mag. Dem einfachen
Besucher eines Völkerkundemuseums,
der nur einen allgemeinen Überblick
über die materielle Kulturstufe primi-
tiver Völker gewinnen will, in einem
Schrank dreißig, vierzig, fünfzig gleich-
artige Tongefäße, Halsgehänge, Arm-
bänder, Federzieraten oder dergleichen
zu veranschaulichen, hat gar keinen
Zweck.
Daß diese Überfüllung — man kann
sie mit vollem Recht eine zwecklose
Überlastung der früheren Schausamm-
lung nennen — vermieden ist, das ist
ebenfalls ein Fortschritt, mag immer-
hin der einzelne Abteilungsleiter es schmerzlich empfunden haben, daß er
manche relativ seltene, von ihm mit vieler Mühe erworbene Schaustücke, in
die er sich geradezu verliebt hatte, an die Magazinsammlung abgeben mußte.
Damit möchte ich nicht gesagt haben, daß die schwierige Auswahl des Typisch-
Wertvollen in allen Abteilungen gleich gut durchgeführt ist. Enthielten früher
die Schränke manches, das recht wohl hätte fehlen können, so ist man nun in
einigen Fällen bei der Auslese in den gegensätzlichen Fehler verfallen und
überstrenge verfahren. Das gilt besonders von der altmexikanischen und der
südperuanischen Sammlung.
Soweit man in dieser Richtung von Fehlern der Neuaufstellung und Neugrup-
pierung sprechen kann, sind sie jedoch nebensächlicher Art und leicht zu korri-
gieren. Weit schwerer wiegt der große, in seinen Folgen verhängnisvolle Fehler,
daß der den Neuaufbau der Schausammlung leitende Fachmann den Zweck
eines Museums für Völkerkunde verkannt und bei dem Entwurf wie bei der
Durchführung seiner Pläne nicht von der Frage: »Welchem Zweck hat ein
großes ethnographisches Museum zu dienen?« — sondern von bestimmten
ästhetischen Kunstanschauungen ausgegangen ist. Mit anderen Worten, es liegt
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RötlicheTonfigur. Frau mit poncho-artigem
Gewand. Maya-Yucatan
Berlin, Museum f. Völkerkunde IV Ca 4970
Höhe 17 cm
 
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