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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 19.1927

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Heft 4
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.39946#0146

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Oskar Kokoschka Else Kupfer. 1910
Mit Genehmigung von Paul Cassirer, Berlin

zwar ein solcher von sehr hohem Niveau.
Seine artislischen Interessen decken sich nicht
immer mit seinen moralischen. Die Kreise,
denen sein Herz gehört, verstehen ihn nicht,
wogegen jene, auf die er kaum Wert legen
kann, ihn künstlerisch voll erfassen und tra-
gen. Ein Zeitspiegel in den Tagen Hogarths
wurde vom Manu in der Straße verstanden.
Die Karikaturen eines Gavarni, eines Daumier
wurden vom Tage aufgenommen, und zwar im
vollen Umfang. Der Zeitspiegcl des George
Grosz wird im Sachlichen nur teilweise und
im Formalen überhaupt nicht von den Mas-
sen begriffen. Dies eben ist seine schwache
Seile; denn er ist in seiner Herkunft durchaus
individuell. Nur wer sich des Alphabetes des
Volkes bedient, findet sofort ein williges Ohr.
Tn einer Zeit, in der der Geschmack der Mas-
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sen so weit herabgesunken, in der ihr künstle-
rischer Ausdruck sich verstümmelter Formen
von Zeiten bedient, die längst vergangen sind,
kann notwendigerweise das Wort des hochent-
wickelten Künstlers kaum von ihnen verstan-
den werden. Es ist aber möglich, daß hier eine
Persönlichkeit durch die eigene Kraft eine
Sprache schafft, zu der die Massen im Laufe
der Zeit heranreifen. Beispiele wie Thoma,
Böcklin und Feuerbach sind ja vorhanden.
Das Ringen George Grosz ist unnachsichtig,
eisern und muß höchste Achtung abzwingen.
An Intensität der Menschendarstellung neh-
men es in Europa wenige mit ihm auf. Das
Technische ist weit getrieben. Eine Mischung
von Öl und Temperamalerei ermöglicht sub-
tile Zeichnung. Nur mit strengster Selbstzucht
kann sie entwickelt werden: Ein weißer Grund.
 
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