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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 19.1927

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Heft 4
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.39946#0147

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Oskar Kokoschka Adele Astaire
Mit Genehmigung von Paul Gassirer, Berlin

Darauf die Zeichnung mit Kohle angelegt. Sie
wird mit Tempera nachgezogen. Ein neutraler,
meist grüner Ton wird darüber gelegt und nun
mit Temperaweiß gehöht. Dieses Temperaweiß
ist Lichtträger für die Lasuren. Auch die viel
bewunderten durchsichtigen Schatten werden
durch Lasuren erzielt. Solche Bilder werden
nur in zäher Arbeit langsam aufgebaut.
Alfred Kuhn
OSKAR KOKOSCHKA
BILDNISSE VON MENSCHEN UND TIEREN
BEI PAUL CASSIRER
Will man die Fülle der 38 Bildnisse auf eine
Formel bringen, so kann man sagen: die Ver-
geistigung des Körperlichen. Sie ist in der
Frühzeit schon vorhanden. Schon beim Tran-
cespieler (1906), bei Herwarth Waiden (1908),
der Herzogin von Rohan (1908), wo noch
Klimlsch-Wienerisches spürbar ist, ist sie da
und ist bis in die letzte Zeit wirksam geblie-
ben. Schließt man die Augen und rekonstru-
iert man sich ein Bildnis, so bleibt nur der
Kopf eingeprägt, der aus einer zuckenden, ge-
witterigen Atmosphäre auftaucht. Ein paar
nervöse Llände kommen hinzu, verkrampft
oder flackernd, unstet tastend. Es sind see-
lisch zerquälte Menschen, überempfindlich,
frühreif und frühalternd, wie jene Rilkesund

Schnitzlers. Ihre Körperlichkeit schmerzt sie,
ist ihnen immer erneuter Grund zum Kon-
flikt. Sie bejahen sie nicht. Sie zerdenken sie.
Nirgends ist der Körper rund, dreidimensional
gegeben. Auch da, wo er von vorne gemalt ist,
wie beim Karl Kraus (1925), ist er wie ein
Schatten. Der Kopf allein spricht; nicht die
harte Kapsel, das kantige Gebirge des Wol-
lens, das Monument der Tat, sondern eine
weiche, blasse, zerwühlte Masse, in die unent-
rinnbares Denken und Leiden die Spuren ge-
rissen. Schemen sind sie alle, diese Menschen,
die Kokoschka unter grünlich fahlen Blitzen
aufsteigen läßt aus einer mühsam verdeckten
höllischen Existenz. Ist ihr Leib untastbar, so
ihre Farbe unbestimmt, unfreudig. Nie ein
eindeutiges Rot oder Blau. Alles ist zerspalten,
zernagt, zerfetzt. —
Ein paar Tiere sind auf der Ausstellung: ein
Mandrill in einer exotischen Landschaft
(1926), ganz einsam, unter Bäumen und
Sträuchern von unerhörter Schönheit, so ein-
sam wie all diese Menschen, die sich vom blü-
henden Leben zurückziehen in das Halbdunkel
ihres Denkens, ein paar Rehe (1916) überzart
auf dünnen Beinen, unruhig witternd, voll
Angst nicht wagend, das fette Gras zu fressen,
das eine gütige Natur vor ihnen gebreitet.
Kuhn

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