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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 19.1927

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Heft 4
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.39946#0148

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DIE AUSSTELLUNG VON GUSTAV WOLF
IN BERLIN
Prof. Gustav Wolf-Karlsruhe, auf den der
„Cicerone“ schon einmal hingewiesen hat, und
der im letzten Winter die reife Ernte einer
spanisch-afrikanischen Reise in reizvollen Bil-
dern, Aquarellen und Zeichnungen gezeigthatte,
stellt nun wiederum bei Amsler & R u t -
har d t eine kleine Kollektion eigenartiger Bil-
der und Aquarelle aus, vor denen man an den
bekannten Satz des Malers Marc erinnert wird:
„Erkennt, meine Freunde, was Bilder sind:
das Auftauchen an einem andern Orte.“ Diese
Traum- und Zaubersphäre, die durch kosmi-
sche, biblische, märchenhafte Phantasie über-
rascht und anzicht, ist die geheime Heimat des
vielbegabten Künstlers, der sich vor allem
durch seine großen Holzschnittmappenwerke
(Verlag Diederichs, Jena) bekannt gemacht
hat. Eine blühende, glühende Phantasie sucht
liier in Raum und Element, in Bild und Zei-
chen, in Färb- und Formdichtung ihre eigene
Sprache, die auch als begleitende Stimme
(Aquarelle zu Goethes Märchen) zu ihrem
Rechte kommt. Man glaubt zuweilen die ver-
sunkene Welt des Unbekannten, Pracht und
Tiefe orientalischer Märchen Weisheit in diesen
malerischen Träumen zu empfinden. Die hier
wiedergegebenen Bilder können kaum das Ge-


Gustav Wolf Landschaft mit Brücken
Ausgestellt bei Amsler & Ruthardt, Berlin

genständliche ihres Farbwesens ahnen lassen,
und es bedarf durchaus der Anschauung, um
diese monologische Kunst in ihrem echten Ge-
halt nicht zu verkennen oder sie gar mit je-
nen neuromantischen „Spiegelungen“ nicht zu
verwechseln! Ein köstlicher Pergamentdruck
in einer Vitrine und ein Schauschrank mit
Wolfs vorbildlich gedruckten Büchern bewei-
sen, wieviel Kraft doch dieser scheinbar
zarte, verträumte Kunstgeist bewahrt, der auch
das Wort schöpferisch beherrscht und sich in
seinem letzten Tetuan-buch — das alle Maler-
reisen der letzten Jahre an Geist und Frische
übertrifft — als eine starke, überlegene Künst-
lerpersönlichkeit erweist. E
DIE NOLDE - JUBILÄUMSAUSSTELLUNG
IN DRESDEN
Schlagwörter faszinieren und lenken auch
heute noch das Interesse der Öffentlichkeit
von scheinbar weniger aktuellen Werken ab.
Sich durchzusetzen und zu halten, ist für große
und eigenwillige Persönlichkeiten oft schwe-
rer als für solche, die unter weithin sicht-
barer Flagge segeln. Um so erfreulicher die
Gelegenheit, von einem bestimmenden Vertre-
ter der deutschen Kunst etwas zu sehen. Nolde
wird sechzig Jahre, die „Fides“ (Probst) hat
im Städtischen Ausstellungsgebäude an der
Lennestraße zweihundert Gemälde und in den
eigenen Räumen eine Anzahl Aquarelle für
zwei Monate zusammengebracht, alles Wesent-
liche, was in dreißig Jahren entstanden ist
(i8g5—19:26). Zum ersten Male sieht man das
gesamte Oeuvre dieses Norddeutschen, der
nach den ersten zehn Jahren des Tastens seine
Berufung so klar erkennt, .daß die folgenden
zwanzig Jahre nur ein Ausbreiten der latenten
Kräfte bringen. So logisch begründet uns die
Chronologie des Werkes eines Picasso er-
scheint, so unkontrollierbar ist sie bei Nolde.
Es ist fast nicht möglich, ohne Katalog die
Arbeiten zeitlich einzuordnen. Landschaften,
die man in das zweite Jahrzehnt seines Schaf-
fens setzen möchte, sind aus letzter Zeit,
Masken, die man für spät hält, um 1910, reli-
giöse Themen tauchen in verwandter Abwand-
lung nach zehnjähriger Unterbrechung wieder
auf, Repliken eines Motivs finden sich plötz-
lich fünf Jahre später. Das soll nicht heißen,
daß Nolde in zwanzig Jahren keine Entwick-
lung gehabt hätte, aber der Vorrat seiner
schöpferischen Phantasie brach um 1907/8 mit
so elementarer Kraft durch, daß er sofort die
ganze Breite des wartenden Strombettes füllte,
fast überflutete, und Noldes Kunst heute noch
aus dem gleichen Reservoir gespeist wird.
 
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