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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 19.1927

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Heft 11
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Waetzoldt, Wilhelm: Max J. Friedländer
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https://doi.org/10.11588/diglit.39946#0359

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Es entspricht Friedländers zurückhaltender, ja verschlossener Natur, daß Ge-
fühl und persönlicher Anteil des Autors nur dem mit empfindlichen Or-
ganen ausgestatteten Leser sich offenbaren. Wieviel Allerfeinstes steht zwischen
den Zeilen! Der seelischen Ökonomie und der intellektuellen Klarheit Fried-
länders entspricht sein Stil. Auch er ist reifes Ergebnis aus Begabung und aus
Erziehung zur Form. Man spürt die Selbstschulung an den besten deutschen
Prosadichtern. Vollkommene Durchsichtigkeit des Buchaufbaus wie der Satz-
gefüge, eine zuweilen fast kokette Vorliebe für die Prägnanz der Formulierung
verbinden sich in Friedländers schriftstellerischem Ausdruck mit der Abneigung
gegen die Phrase und alles Sentimentalische. Der Norddeutsche, ja der Berliner
ist unverkennbar.
In weiten Gebieten der Kunstgeschichte ist Friedländer ein unbestrittener Ken-
ner^ bei den altniederländischen und den altdeutschen Meistern, im Gesamt-
bereich der Graphischen Künste, aber auch in der Generation Liebermanns
fühlt er sich besonders geistig zu Hause. Diese Grenzen aber zieht ihm nicht
seine Kennerschaft, sondern seine Neigung. Der Erkenntnisdrang, mit Kunst-
gefühl verwachsen und vereint, führte Friedländer — auch thematisch — in den
letzten Jahren weiter und tiefer. Seine Arbeiten umspannen größere geschicht-
liche Zusammenhänge, am Plorizont tauchen methodische, ästhetische, phi-
losophische Probleme auf: letzte Fragen unserer Wissenschaft, mit denen man
nicht anfangen, bei denen man enden sollte. Auf dem sicheren Fundament seiner
Kennerschaft fußend, durch einen gesunden Skeptizismus geschützt und im Be-
sitz der unentbehrlichsten Gabe eines Kunstforschers, nämlich des Gefühls für
das Echte im weitesten Sinne des Wortes, schreitet der Sechzigjährige seinen
Arbeitsweg. Das Ziel ist hoffentlich noch weit!
 
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