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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 19.1927

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Heft 11
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Kunst-Literatur
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https://doi.org/10.11588/diglit.39946#0384

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haben viele Verfasser nicht bedacht und
stramm ihr Extraei gelegt. Um so mehr sind
die zu loben, die auch in der Form die Hei-
terkeit des Händedrucks verrieten — sollen wir
noch immer von den Franzosen erst lernen
müssen, daß man Anmut auch ins Geben
legen könne? Vorbildlich in diesem Sinne und
witzig ist L. Curtius’ Beitrag über die Fres-
ken des Casa del poeta tragico in Pompei; die
Archäologen schneiden überhaupt sehr gut ab,
man merkt mal wieder, daß die Archäologie
hundert Jahre älter ist als die Kunstgeschichte
und daß uns die Peitsche der Philologie fehlt,
wenn wir auch mehr Gedanken haben. Von
den literarischen Beiträgen hat mich E. B.
Curtius’ Abhandlung über das Buch als
Symbol in der Divina Comedi aufs höchste
gefesselt, wobei ich nur nicht begreife, wes-
halb er den Galeotto ausgelassen hat, über
den doch Morf eine so ergreifende Vermutung
(Ges. Schriften III) geäußert hat. Sehr an-
heimelnd ist auch Bertram» Schilderung,
wie Adalbert Stifter den Kefermarkter Altar
vor der Zerstörung bewahrt hat.
Einzelnes aus dem Hauptteil anzuführen, ist
deshalb so schwer, weil jeder überschlagene
Verfasser mir nachher einen Brief schreibt,
sein Aufsatz wäre auch sehr schön und es wäre
eine Gemeinheit. Trotzdem wage ich einige
Dinge hervorzuheben, die ich gelesen und
verstanden habe, vielleicht sind es nicht die
wichtigsten. So lernte ich aus Köhlers Auf-
satz über die Adahandschrift und ihren Über-
gang zum ottonischen Stil; Goldschmidt
behandelt einen sächsischen Buchdeckel in
Wolfenbüttel aus ottoniseher Zeit, den er mit
der Hildesheimer Bronzetür in Verbindung
bringt. Lehrreich wird das Rätsel der Kölner
Dreikonchenanlage von Busley behandelt.
Braun bringt ein neues Dokument zur Ent-
stehungsgeschichte der rheinischen Reliquien-
schreine aus Nivelles, von 1272, das über
Auftrag und Betrieb der Werkstätten des 12.
Jahrhunderts neue Aufschlüsse bringt und auch
für die Datierung der andern Schreine von
Wichtigkeit ist. Gabelentz behandelt die
mittelalterlichen italienischen Kruzifixe des
Ducento sehr sorgsam ikonographisch.
S warzenski schreibt über das Englomise
bi Nicolo Pisano, auch hier wie in seinem
Buch über den Pisaner daran festhaltend, daß
der ganze Nicolo aus Toscana und nicht aus
Süditalien erklärt werden könne — nach m.
A. ein Irrtum. Hamann bespricht sehr ein-
dringlich die Bonner Pieta, die er vom Geist
des iS. Jahrhunderts erfüllt sieht, er datiert
sie um 13oo, damit wäre sie also das früheste

Vesperbild. Vitzthums Aufsatz über ein
Stadtbild Roms von Masolino in Castiglione
d’Olona hat mir viel zu denken gegeben; er
zieht das neu gefundene Madonnenbild Maso-
linos in Todi zum erstenmal in die deutsche
Debatte (143a datiert!), das die Neapler Bilder
definitiv Masolino und nicht Masaccio zu-
weist (natürlich nicht die Kreuzigung), und
zwar gehören auch sie in den Anfang der 3o er
Jahre; S. Clemente dagegen und alles in der
Brancaccikapelle bleibt für Masaccio. Schöne
Bilder von Jan de Cock und Scorel hat der
unermüdlich spähende W. Cohen auf Schloß
Hugenpoet bei Düsseldorf entdeckt. Stein-
mann weist Kompositionen Michelangelos in
Stichen des Sebastiano da Reggio, des Diana
Scultori, J. B. Cavaleriis, Ag. Veneziano und
Georg Pencz nach. Von den Aufsätzen aus
dem ig. Jahrhundert erwähne ich L. Justis
Würdigung eines Hauptbildes von Overbeck:
„Eins ist not“, das die Nationalgalerie er-
worben hat, Schinkels Reiseskizzen vom
Rhein (P. 0. Rave) und von Eberlein den
Aufsatz über Hartmann und Runge.
Ich weiß, ich müßte noch viel erwähnen, na-
mentlich große prinzipielle Beiträge wie
den von Worringer über Byzantinismus
und Gotik, von Lüthgen über Antike und Mit-
telaller, von Strzygowski (mutig und stür-
misch wie immer!) über „die Forschung über
bildende Kunst“, wobei die Mittelmeerkunst
mal wieder einen tüchtigen Fuß tritt bekommt,
ähnlich wie in seinem alarmierenden Aufsatz
in den Preußischen Jahrbüchern; aber es mag
nun genug sein. Vieles Gescheite und man-
ches Diskutierbare ist hier zusammengekom-
men und das dicke Buch wird auf Jahre hin-
aus in allen kunstgeschichtlichen Seminaren
liegen und durchreferiert werden. Seine Viel-
seitigkeit ist ein Zeugnis für das Weitgehende
in Clemens Seele; seine Gediegenheit ein Be-
weis für die Ernsthaftigkeit seiner und unse-
rer Forschung; seine Problemefülle ein Hin-
weis auf weitere unverdrossene Arbeit in Bonn
und in aller Welt. Paul Schubring
WALTHER BIEIIL: TOSKANISCHE PLA-
STIK DES FRÜHEN UND HOHEN
MITTELALTERS. Mit 1G8 Lichtdruckta-
feln. (Italienische Forschungen. Heraus-
gegeben vom kunsthistorischen Institut in
Florenz. Neue Folge ll.Bd.) 1926. Ver-
lag von E. A. Seemann, Leipzig.
Die rund i5o Seiten Einleitung, Ergebnis,
Literaturhinweise und Anmerkungen um-
schließen in sich diellesultate einerForscher-

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