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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 19.1927

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Heft 13
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Schubring, Paul: Zu Donatello
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https://doi.org/10.11588/diglit.39946#0424

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der nackte Leib Sebastians erinnert an den Paduaner Kruzifixus. Ungewöhnlich
ist die Säule5 Sebastian ist meist an einen Baum gebunden. Das Gesicht Sebastians
hat beinahe Porträtzüge; wir erinnern uns daran, daß auch in Ant. Pollaiuolos
Sebastianbild in London Porträts Vorkommen. Das Relief ist größer als eine
Plakette und doch nicht groß genug für ein Hausaltärchen. Für eine Paxtafel
ist es zu stürmisch im Thema. Vielleicht ist es zum Andenken an einen Toten
gegossen worden, dem das Schicksal hart mitgespielt hat. Madame Andre be-
kam das schöne Relief aus der Sammlung Piot in Paris. Courajod hat bekannt-
lich in der Hamburger Kunsthalle eine Zeichnung gefunden, auf der unser Stück
mit anderen Reliefs abgezeichnet ist; er datierte die Zeichnung um 1500. Dar-
unter befindet sich auch ein Elfenbein-Diptychon, das sich im 1 8. Jahrhundert
in der Florentiner Familie der Gaddi befand. Er meint, wohl alle die hier skiz-
zierten Reliefs seien Eigentum der Gaddi gewesen, auch dieser Sebastian.
Ein drittes donatelleskes Stück sah ich bei Herrn Böhler in Luzern, einen farbig
höchst reizvollen Stucco einer Madonna aus der Schule Donatellos. Und zwar
handelt es sich um jenen frühen Stil, den in Berlin die Madonnen Pazzi und
Orlandini (letztere Schularbeit) vertreten. Ungewöhnlich für Donatello ist es,
daß das Kind im rechten Arm der Mutter liegt; die Regel ist bei ihm wie auch
bei Luca Robbia das Gegenteil, während Andrea regelmäßig das Kind auf den
rechten Arm der Mutter setzt. Wie bei der Madonna Orlandini ist das Kind
nackt und spreizt die Beinchen; in strenger Horizontale legt sich die linke Hand
Marias unter sein Füßchen. Backe liegt an Backe; mit feiner Eleganz führt
die Linie der Nase der Mutter an der Stirn des Kleinen herunter. Und nun
noch eine Besonderheit: den Hintergrund bildet eine gerippte Muschel, die wir
gut aus Donatellos Arbeiten der zwanziger Jahre kennen, am besten aus dem
Tabernakel von Or San Michele. Berlin und der Louvre besitzen eine Pla-
kette mit derselben Komposition wie unser Relief; ich möchte annehmen, daß
diese Plakette eine Reduktion nach der größeren Komposition ist, nicht umge-
kehrt. Es liegt hier anders als bei dem Madonnenrelief mit dem erschreckten
Kind (Berlin N 32), das eine vergröberte Nachbildung der Silberplakette im
Kölner Schnütgen-Museum ist. Hier ist die Plakette das Primäre; sie kommt
in Bronze noch öfter vor (Berlin, London). Unser Stucco wirkt in der Plakette
zu voll, zu mächtig; Donatellos Plaketten haben durchaus etwas Illusionistisches,
die Halbfigur der Madonna schwebt auf dem freien Grund und scheint in Be-
wegung sich uns zu nähern. Dagegen weist die Komposition unserer Plakette
auf ein großes monumentales Relief, das durch die Nische räumlich in die l iefe
gedrückt wird. Jedenfalls weist der Stil in die zwanziger Jahre; Molinier da-
tiert sehr unglücklich die Plakette in das Ende des Jahrhunderts (Les plaquettes
II N 372) und nennt sie allgemein: »ecole de Padoue«.
Ich benutze die Gelegenheit, um noch zwei andere Quattrocentoarbeiten be-
kanntzumachen, die ich im letzten Jahre kennen lernte. Ein Marmorrelief
mit dem Haupt des Dorngekrönten (0,24X0,25) in der Galerie Sangiorgi in
Rom war mir in Stuckwiederholungen bei Prof. Lanz in Amsterdam und im
inusee Andre längst bekannt; es trug in beiden Sammlungen den Namen Civi-
tale, dem man ja gern Passionsköpfe der Savonarola-Zeit zuschreibt. Nun ich
das Original in Marmor kennen lernte, glaube ich als Künstler den Meister der
Mamormadonnen vorschlagen zu sollen, dessen wirklicher Name von G. de Ni-
 
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