Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 19.1927

DOI Heft:
Heft 15
DOI Artikel:
Metz, Peter: Alte Kunst am Mittelrhein, 1, Plastik und Kunstgewerbe: zur Ausstellung im Hessischen Landesmuseum Darmstadt
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.39946#0486

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext

material nach seinen eigenen Gesetzen umformt und mit einem neuen Ausdrucks-
gehalte erfüllt. In den historisch faßbareren, späteren Epochen des Barocks und
des Rokokos kann man immer wieder beobachten, wie ein von außerhalb des
Gebietes zugewanderter Künstler schon nach fünf- bis zehnjähriger Ansässigkeit
Werke schafft, die ihrer seelischen und formalen Haltung nach als durchaus
bodenständig anzusprechen sind.
Im Besonderen muß hier nur bemerkt werden, daß die Schnelligkeit des Wechsels
und die Vielgestaltigkeit der nebeneinander existierenden Formtypen am Mittel-
rhein wohl kaum in einer anderen deutschen Landschaft ihresgleichen findet.
Gerade jene Vielgestaltigkeit aber ist vielleicht nicht weniger typisch mittel-
rheinisch als überhaupt typisch deutsch. Keiner der großen Stilcharaktere,
Gotik, Renaissance und Barock ist, wie man weiß, in seinem letzten Ursprünge
aus deutschem Boden erwach-
sen, und trotzdem gibt es eine
eigentümlich deutsche Kunst,
deren Zersprengtheit und Ge-
gensätzlichkeit des Stilgepräges
sich in ihrem mittelrheinischen
Sonderfall genau wiederholt.
Als Grund für die besondere
Haltung des Mittelrheins ge-
genüber den übrigen deutschen
Kunstbezirken mögen noch der
erhöhte kulturelle Betrieb so-
wie die zentrale und exponierte
Lage inmitten der großen Kul-
turströmungen angeführt wer-
den, die den zur Fortführung
fester Stiltraditionen nötigen
äußeren Ruhezustand kaum
aufkommen ließen. Eine nicht
geringe Rolle spielte dabei na-
türlich auch dasnach allen Him-
melsrichtungen hin gleichstark
orientierte Volkstum, dessen Ei-
genkraft jedoch dem Fremden
stets die Wage hielt.
Angesichts dessen wird es
schwer sein, für das Wesen des
mittelrheinischen Kunstemp-
findens eine allgemeingültige
Norm aufzustellen. Die Frage
wird bei jedem einzelnen Kunst-
werk, zumindest bei jeder Epo-
che oder Stilgruppe von neuem
Abb. 2. Madonna aus Elfenbein Mitte 11. Jahrh. aufzuwerfen sein. Zur exakten
Altertumsmuseum, Mainz Herausarbeitung sind die be-

464
 
Annotationen