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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 19.1927

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Heft 15
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Kunst-Literatur
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https://doi.org/10.11588/diglit.39946#0513

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PAUL BRANDT: SCHAFFENDE ARBEIT
UND BILDENDE KUNST im Altertum und
Mittelalter. 320 S. mit 46o Abb. und zwei
Farbentafeln. Leipzig, Alfred Kröner. 1927.
Der verdienstvolle Verfasser des Buches: „Se-
hen und Erkennen“, das schon bis zum 4o.
Tausend vorgeschritten ist und dadurch den
Erweis gebracht hat, daß unsere Jugend sich
durch derartige Gegenüberstellungen und Ver-
gleiche am liebsten zum Sehen erziehen läßt,
hat zu einem neuen eigenartigen Thema ge-
griffen, das den sozialen Gedanken der Ge-
genwart besonders nahe liegt, bisher aber
noch nie einheitlich angefaßt ist. „Die Ar-
beit in der bildenden Kunst“ heißt
dieses Buch, das von den Tagen Ägyptens zu-
nächst bis zum Ausgang des Mittelalters das
Werk schaffender Hände, das Handwerk im
Frondienst und im Meisterverband, den Ar-
chitekten wie den Steinbildner, den Toreuten
wie den Illuminator bei seinem Tagesdienst
belauscht. Das Thema ist namentlich nach der
Seite der Anschauung gut gewählt; denn
all diese Dinge sind sichtbar und sinnlich,
es regt sich Wirkliches und da die ganze
Kunst Handwerk ist, stellt sie sich gern selbst
heim Hantieren dar. Freilich ist der Begriff
Arbeit in der Antike Sklavendienst und Bitter-
keit; das „ora et labora“ erklingt erst spä-
ter und die gotischen Kathedralen sind auch
schließlich mit Menschenschweiß gebaut wor-
den. Der Verfasser setzt beim alten ägypti-
schen Reich ein und endet etwa hei Ghiberti;
ein zweiter Band wird Renaissance und Neu-
zeit in der Arbeit vorführen. Der Sammel-
eifer Brandts ist erstaunlich; ihm galt es ja
nicht, in erster Linie die hohe Kunst zu be-
fragen, die Feiertag ist und sich zu gut für die
Arbeit dünkt, sondern Sarkophage und Aa-
sen, Monatsreliefs und Miniaturen, Steinmet-
zenregeln und Holzschnitte, also jene intime

Kunst, bei der nicht die Fassade, sondern das
Spiel der treibende Faktor ist. Nicht die
Phantasie, sondern die Beobachtung ist die
Grundlage dieser Kunst der Arbeit, die sich
selber feierte in ihrer ewigen Erneuerung, im
munteren Rhythmus des Wechsels, in Gewohn-
heit und Geschicklichkeit, im Ernst des Wag-
nisses und im Glück der Vollendung. Dae-
dalos steht über der Kunst von Kreta, Athena
über der der Griechen geschrieben; in Pom-
pei befehlen Venus und Merkur, in den römi-
schen Provinzen arbeitet der Legionär. Dann
wechseln die Auftraggeber und Patrone: ein
Abt befiehlt im Kloster, ein Steinmetz in der
Zunft, die Techniker häufen sich, zu Stein
und Bronze tritt Elfenbein, Glasmalerei und
Buchbild. Es ist eine Freude, sich vom V.
durch alle die Gebiete führen zu lassen, zumal
auch in der biblischen und Heiligenlegende
das Werk der Hände eine große Rolle spielt.
Wir freuen uns auf den zweiten Band, der
sicher auch viel verstecktes Material bringen
wird. — Zum Schluß noch eine Bemerkung:
Wir hoffen, daß dies Buch auch von den
Handarbeitern gelesen wird. Denn diese
gerade muß es mit Stolz und Glück erfüllen,
zu sehen, wie in allen Jahrhunderten das
Werk der Hände Herrliches geleistet hat.
Gewiß, die klugen Köpfe sind auch nötig
und noch mehr die feingestimmten See-
len. Aber es ist doch etwas Richtiges an Marx’
Wort: „Das Straßburger hat nicht Erwin
von Steinbach, sondern der Maurer erbaut.“
In der Verehrung der Arbeit können sich
viele Kreise zusammenfinden, die sonst ge-
trennte Wege gehen müssen. Ebenso möge
der Techniker unserer Tage auf diese
Handarbeit zurückschauen, die nichts vom
laufenden Band weiß, aber Dinge geschaffen
hat, die ewig bleiben werden, wenn die Präzi-
sionsmaschinen der Gegenwart längs t überholt
sind. Paul Schubring


Derain
Aus der Graphikausstellung im Kunstsalon Abels, Köln

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