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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 19.1927

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Heft 18
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Doesburg, Theo van: Über das Verhältnis von malerischer und architektonischer Gestaltung: (mit einer Einführung zur Stijlbewegung, Holland)
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https://doi.org/10.11588/diglit.39946#0591

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Abb. 4/5. Theo van Doesburg und C. van Eesteren.
Ohne Farbe

Projekt einer Villa. 1925
Mit Farbe

gesetzte Energien. Diesen Gegensatz nenne ich Spannung. Ebenso entsteht
zwischen dem Material »Eisen« und dem Material »Glas« eine gewisse Span-
nung. Die Wertung dieser Spannung in Raum und Zeit ist ästhetisch wirksam
wie die Wertung zweier Farben in Fläche oder Raum.
Man kann die Farbe im Raum erstens dekorativ ornamental verwenden.
Bei einer dekorativen Anwendung der Farben handelt es sich um reine Aus-
schmückung, ohne organischen Zusammenhang mit der Konstruktion. Beide
existieren nur nebeneinander. Das Prinzip des Dekorativen und Ornamentalen
beruht auf der Wiederholung eines Motivs, eine Wiederholung, welche durch
den Faktor »Zeit« hervorgerufen wird. Jede Malerei, welche sich im Raum
fortsetzt, also in zeitlicher Ausbreitung begriffen ist, war von jeher durch Re-
petierung charakterisiert.
Als Reaktion auf die dekorative Anwendung entstand der Ruf »Zurück zur
rationellen Konstruktion. Nieder mit dem Ornament! « Für die Farbe war kein
Platz, man wollte nur eine graue utilitaristische Architektur. Aber nach meiner
Ansicht ist dem modernen Menschen das Bedürfnis an Farben ebenso unent-
behrlich wie das Bedürfnis nach Licht und Bewegung. Licht, Farbe, Bewegung,
ja sogar Lärm sind wesentliche Lebensfaktoren des modernen Menschen, ich
möchte mit Adolf Loos sagen: Sind das »moderne Nervensystem« geworden.
Die Nützlichkeitsromantiker aber wollten nur dann die Farbe anerkennen,
wenn sie »nützlich« wrar, und so entstand die zweite Anwendungsmöglichkeit
der Farbe: die Rationalistische oder Konstruktivistische: als Verkehrszeichen-
sprache, als Reklame, als Orientierungsmittel, Signal. Man erklärte: das Plakat
oder das Verkehrszeichen seien Konsequenzen der modernen Malerei.
Ich kann nicht zugeben, daß die Unterdrückung der Farbe in der Architektur
als eine Konsequenz der modernen Architektur angesehen wird. Im Gegenteil,
es müßte ein innerer Zusammenhang zwischen Farbe und Raum gefunden
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