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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 19.1927

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Heft 18
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Doesburg, Theo van: Über das Verhältnis von malerischer und architektonischer Gestaltung: (mit einer Einführung zur Stijlbewegung, Holland)
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https://doi.org/10.11588/diglit.39946#0590

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die schöpferisch begabten Menschen anderer Gebiete auf, für ihre Disziplin das
gleiche zu versuchen.
Ziele: Durch kollektive Entwicklung einer schöpferischen Grundlage, Kunst
und Leben neu zu gestalten. Entwicklung einer kollektiven Persönlichkeit,
Schaffung einer gemeinsamen Basis, von der aus das ganze Gebiet der Gestaltung
zu organisieren ist. Vollständige Zerstörung des Dekorativen und der »ange-
wandten Kunst«. Dagegen: Aufhebung der Trennung von Einzel- und Gesamt-
produktion. Untersuchung bezüglich Material und Konstruktion in Labora-
torium und Versuchsräumen. Einbeziehung aller modernen Techniken und
Wissenschaften.
Gestaltungssystem: Worauf es uns ankam, war: die Elemente der Gestal-
tung (Fläche, Farbe, Raum, Funktion, Zeit usw.) klarzulegen. An Stelle individua-
listisch orientierter Kunst stellte »De Stijl« das System des Entindividualisierens
und den Aufbau durch reine Elemente. Die Gestaltung des Raumes ist ohne
das Licht undenkbar. Für die Architektur ist das Licht ein Gestaltungselement
und zwar das wichtigste. Der organische Zusammenhang zwischen Raum und
Material ist nur vermittels des Lichtes möglich1.
Die architektonische Gestaltung des lichtes ist ohne Farbe undenkbar. Ohne
Farbe ist die Architektur »blind«, ausdruckslos.
Durch eine dekorative Anwendung war die Farbe in der Architektur miß-
braucht worden. Die Farbe ist aber dem Menschen ebenso unentbehrlich wie
das Licht. In der heutigen Architektur verlangt die Fläche nach Belebung, das
heißt nach Gestaltung durch die »räumliche«, reine Farbe.
Farbe und Materialien scheinen mir den gleichen Gesetzen unterworfen zu sein.
So wie verschiedene Farben (z. B. rot, blau, gelb), jede für sich, eine besondere
Energie vertreten, so vertreten auch die Materialien (Beton, Eisen, Glas z. B.)
eine besondere »Energie«5 blau und gelb z. B. bilden zwei vollständig entgegen-
1 Einige Stijlprinzipien hinsichtlich der Architektur: Architektur wird an Stelle von
Kunst zu einer Organisationsmethode von Funktion und Material, vermittels elementarer
Konstruktion. Erstrebt ist ein Maximum an Spannung, ein Minimum an Mitteln. Die
Farbe wird Ausdrucksmittel der architektonischen Dimensionen. Äußerste Konzentration
und Optimismus. An Stelle von Lyrik: schöpferische Erfindung, Unterdrückung des
Unbestimmten und Sentimentalen.

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