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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 19.1927

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Heft 21
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Kieser, Emil: Die Bekehrung des Paulus bei Rubens
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https://doi.org/10.11588/diglit.39946#0682

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ist, wie die himmlische Erscheinung und ihre
Einwirkung auf Paulus neben der Pferdegruppe
noch genügend eindrucksvoll hätte gestaltet wer-
den können. Ein weiterer Versuch, der in der
Londoner Skizze (Abb. 4) vorliegt, wurde nun
im Hochformat gemacht und die Lösung gefun-
den, daß in der Mitte gleichsam eine Gasse zur
Kommunikation zwischen Paulus und Christus
reserviert wird. Die heftigen Schreckensbewe-
gungen der Pferde und Begleiter können nun
das Wesentliche der Erzählung nicht mehr über-
wuchern. Besser auch, daß von allen nur
Paulus den geblendeten Blick erhebt und der
Helfende nun wirklich hilft. Die Augsburger
Skizze (Abb. 5) schließt sich, bei völliger Neubil-
dung des Einzelnen, im gesamten eng hier an.
Neu eingeführt ist, daß das Pferd des Paulus
nach vorn niederstürzt 5 die steigenden Pferde
überhaupt sind verschwunden, nirgends mehr
ein Aufbäumen, überall nur völliges Zerschmet-
Bei ziemlicher Beibehaltung des kompositio-
innen her die Aufgabe sehr viel anders an-

Abb. 4. Radierung nach Rubens
Skizze zur »Bekehrung Pauli«
London, Herzog von Westminster
tertsein, Angst und Flucht,
nellen Schemas ist hier von
gefaßt. War seither in der bäumenden Wucht der Pferdeleiber, dem Stürzen
und Steigen der Massen, das Elementare des Ereignisses verkörpert, so tritt hier
eine mehr psychologische Anschauung auf, man erfährt das besinnungslose
Davonrennen der Begleiter, die unglaubliche Angst im herumgeworfenen Kopf
der nervösen Kreatur und das ganz hingebend Gelöste in der Haltung des
plötzlich Bekehrten. Auf sein Gesicht fällt ein voller Strahl des göttlichen
Lichts, die Augen sind geschlossen, der Mund in Ohnmacht geöffnet. Mit aus-
gestreckten beiden Armen fährt Christus vehement auf ihn herab. Wäre man
nicht an der Handschrift schon bedenklich geworden, so müßte man an dieser
Art der Auffassung stutzig werden und für die Skizze einen andern Autor
suchen als Rubens. Die Benennung im früheren Katalog der alten Pinakothek
lautete: Rubensschule. Wer unter den Schülern kommt nun aber dafür in
Betracht? Meines Erachtens kein anderer als Van Dyck. Er war in dieser Zeit
der bevorzugte Mitarbeiter des Rubens, der dessen bedeutendste Entwürfe aus-
zuführen hatte und es sehr im Sinne des Meisters tat, gleichzeitig aber — was
hoch merkwürdig ist — sozusagen für seinen Privatgebrauch schon über einen
von Rubens ganz verschiedenen absolut persönlichen Stil verfügte. An der
Ausführung des großen Paulusbildes in Berlin hat er, wie auch Oldenbourg
meint, vielleicht mitgearbeitet, da ist es schon möglich, daß er auf einer raschen
Skizze auch einmal einen eigenen Versuch mit dem Thema gemacht hat. Man
wird die Qualität des Bildchens vielleicht für Van Dyck als nicht genügend er-
achten, die Flüchtigkeit einer ersten Niederschrift entschuldigt aber die starken
Leeren in der Aufteilung und manche Mängel der Zeichnung im Einzelnen.
Eine ähnlich flüchtige und zugleich heftige, über Nebensächlichkeiten einfach
weggehende Faktur kennt man ja gut aus Van Dycks Federskizzen, und für Ein-
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