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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 19.1927

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Heft 21
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.39946#0698

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A. van Ostade. 1653 Bauer am Fenster
Gemäldegalerie Dessau

der bis zur Decke übereinander gehängt. Den
Grundstock der neuen Staatsgalerie bildet die
Galerie der Prinzessin Henriette-Amalie von
Anhalt-Dessau, deren Administration durch
verständnisvolles Entgegenkommen den Ge-
danken der Staatssammlung förderte. Diese
Prinzessin, eine Tochter des Alten Dessauers,
hatte schon in ihrem Vermächtnis bestimmt,
daß „niemandem verwehrt werden solle, die
auf solche Art hier eingerichtete Galeriesamm-
lung zu besehen“. Aus dem Gotischen Haus,
der Sammlung des Fürsten Franz, stammtder
zweite Hauptteil der Galerie, der die künstle-
risch bedeutendsten Stücke hinzubrachte. Der
Fürst Franz hat noch vor den Boisserees auf
Anregung von Lavater deutsche und nieder-
ländische Bilder des i5. und 16. Jahrhunderts
gesammelt. Die übrigen Bestandteile der neuen
Gemäldegalerie entstammen verschiedenen
Quellen. Auch eine neue wurde mit Geschick
aufgetan. Eine Hindenburg-Spende der Indu-
strie erlaubte bereits den Ankauf einiger Jagd-
bilder von Krüger. Die der Galerie angeschlos-
sene Zeichnungssammlung bewahrt die Hand-
zeichnungen altdeutscher Meister, die früher
in der Behördenbibliothek untergebracht war
(damals von Friedländer veröffentlicht).
Die modernen Grundsätze des Bilderhängens,
die das einzelne Kunstwerk zur Geltung kom-
men lassen, es durch die Umgebung stützen,
es bald durch Kontrast, bald durch leise Be-
gleitung zum Klingen bringen, sind von Grote
mit Geschmack beobachtet worden. Unter den

einzelnen Räumen ragt durch Kostbarkeit des
Inhalts der Cranach-Saal hervor, der ein Dut-
zend Werke dieses Meisters enthält, darunter
den in der Qualität an erster Stelle stehenden
Fürstenaltar um i5o8. Anschließend noch ein
kleiner Raum, eine Schatzkammer, die den
Kalvarienberg von Petrus Christus, das Pley-
denwurff wohl zu Unrecht zugeschriebene
Doppelbildnis von i47Öundden Chrislophorus
von Dürer um i497 enthält, dem wohl erst
auf der kommenden Dürer-Ausstellung in
Nürnberg 1928 seine endgültige Stellung zu-
gewiesen werden kann. Ein weiterer Saal zeigt
als Prachtstück die Anbetung der Könige von
Hans Baidung von i5io (zusammengehörig
mit der Geburt des Kindes in Basel), die unbe-
kannt in der Nikolaikirche in Zerbst hing, wo-
hin sie allerdings erst im 19. Jahrhundert ge-
schenkt war. Die niederländischen Bilder des
16. und beginnenden 17. Jahrhunderts geben
einen guten Überblick der Entwicklung bis
zur klassischen Zeit des Jahrhunderts. Von den
Großmeistern sind ein Bildnis des Rubens und
ein Knabenbildnis von Frans Hals zu sehen, die
aber matt sind und doch wohl ein Fragezei-
chen verdienen. Aus dem Rernbrandt-Kreis
sind Dou mit einem Kücheninterieur von
i64i, Jan VicLors mit einem Mädchenbildnis
und Benjamin Gerritsz Cuijp mit einer An-
betung der Hirten vertreten. Die holländische
Malerei des 17. Jahrhunderts ist durchweg in
charakteristischen Beispielen vertreten, wovon
noch der schöne Ostade, Bauer am Fenster
i653, und der Aelbert Cuijp, Orpheus und die
Tiere, genartnt werden mögen.
Wieder ein besonderes Kapitel ist der reiche
Besitz an Bildern Frankfurter Maler der
Goethe-Zeit, der sich daraus erklärt, daß die
Prinzessin Amalie seit etwa 1700 in Schloß
Bockenheim bei Frankfurt lebte. Seit dem Be-
ginn des 19. Jahrhunderts ist dann auch eine
geschlossene künstlerische Tradition in Dessau
vorhanden, wofür die Namen der Olivier und
Kolbe zeugen; andere wie Höhn, der ein Schü-
ler Blechens war, werden wieder zu Ehren
kommen. Es muß besonders anerkannt wer-
den, wie Grote mit Nachdruck sogleich daran
gegangen ist, das Bild der deutschen Kunst
des 19. Jahrhunderts in der Galerie zu ver-
vollständigen. Zu den drei Gemälden von Oli-
vier sind schon 5o Zeichnungen, von Feuer-
bach ist der Kopf einer Römerin von i864
außer den Bildern von Krüger neuerdings er-
worben. So darf man auch für das Gedeihen
der anhaltis-chen Sammlung das Beste hoffen.
Gerstenberg

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