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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 19.1927

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Heft 21
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.39946#0699

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A. Dürer

Gemäldegalerie Dessau

Cliristophorus

KUNST IN PARIS
Einen Namen aus der Stille zu reißen und
mit einem Male ins Getriebe zu werfen, ist
das Spiel, mit dem sich die Ausrufer auf un-
seren großen Kunstmessen zu vergnügen schei-
nen. Ehemals hielt ein Name sich ein Jahr-
hundert. Die Chroniken waren voll von ihm
und die Geschichte überlieferte die Legenden
seiner Leistungen. Man spricht vom Jahrhun-
dert Louis XIV. und dem Friedrichs des Gro-
ßen. Heute dauert dieser Ruhm acht Tage;
es gibt eine Woche Lindberg, eine Woche Pi-
casso. Die Künstler unterliegen wie die ande-
ren diesem Gesetz. Sie tauchen auf und ver-
schwinden wie ein Film, wie eine Mode. Ver-
suchen wir unter ihren Heerscharen die Aus-
nahmen zu finden, die Dauer versprechen.
Das letzte Jahr hat zugleich mit der Feier
des hundertjährigen französischen Romanti-
zismus eine geistige Tendenz aufkommen se-
hen, die von einigen als „Neuromantik“ oder
Rückkehr zum Dramatischen bezeichnet wurde,

und die einfach eine Rückkehr zum Instinkt
und zur Stimme des Blutes ist. Nach langen
Versuchen auf klassizistischer Grundlage und
nach der Generalreinigung, die von der ku-
bistischen Bewegung ausging, kommt man
darauf, daß die Malerei nicht einfach ein
Problem der Technik ist, das es zu lösen gilt.
Der Kubismus, der die reine Malerei diktie-
ren wollte, war nahe daran, die Kunst unse-
rer Zeit zu stilisieren. Sein Einfluß hat sich
auf jede ästhetische Betätigung übertragen und
wir haben Architekten gesehen, darunter einen
unserer begabtesten wie Mallet-Stevens, von
dem soeben eine ganze Straße eingeweiht
wurde, die das; ganze Universum am liebsten
als eine Art abstrakter Formen (um so besser,
je simpler sie sind) darstellen möchte. Diese
Theorie besagt: „Das Bild ist ausschließlich
eine Fläche von zwei Dimensionen, bewegtmit
Malerei unter einer bestimmten vorgezeichne-
ten Ordnung.“ Aber die Maler beginnen, diese
reine Spekulation des Geistes wieder abzu-

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