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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 19.1927

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Heft 22
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.39946#0730

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Münchner Meister um 1450 / Weibl. Heilige
Aus dem Besitz der Galerie Fischmann, München
Für den Münchner Anliquitätenhandel haben
die Berliner Niederlassungen in erster Linie
große Bedeutung als Einkaufsquelle. In zwei-
ter Linie, und das darf nicht verschwiegen
werden, bieten sie den Münchner Stammhäu-
sern die Möglichkeit, auch an diejenigen Käu-
fer heranzukommen, die unter dem Einfluß
gewisser politischer Strömungen einen Be-
such Münchens meiden. Des weiteren ist in
Berlin, im Gegensatz zu München, tatsäch-

lich eine Schicht von Käufern vorhanden, die
sowohl für die Berliner Kunsthändler als auch
für die Filialen der Münchner Häuser ernst-
haft in Betracht kommt. In einer Dreimillio-
nenstadt mit so gewaltigen Umschichtungen
bedeutender Vermögenswerte ist diese Er-
scheinung ganz natürlich. Allerdings sind
Sammler von der Kaufkraft eines James
Simon oder Bennoit Oppenheim, wie sie in
der Vorkriegszeit in Erscheinung traten, heute
nicht mehr am Werke. Auch derBerliner Han-
del kann von Berlin allein nicht bestehen, er
greift vielfach mit seinen Filialen nach dem
Ausland, vorwiegend nach Holland über, wo
heute z. B. Cassirer, van Diemen, Rothmann,
Dr. Gottschewski Zweigniederlassungen haben.
Die Verhältnisse auf dem Münchner Antiqui-
tätenmarkt sind von denen in Berlin grund-
verschieden. Die größten, alteingesessenen
Münchner Firmen, Julius Böhler, A. S.Drey,
Bernheimer, Heinemann, J. Rosenthal, haben
für große Objekte kaum einen Münchner als
Kunden. Diese eine Tatsache schon bringt es
mit sich, daß der Münchner Handel eine ganz
andere Organisation aufweisen muß als der
Berliner Handel. Die Käufer sitzen in Deutsch-
land verstreut und wohnen in Amerika. Vieles,
wenn nicht alles, hängt davon ab, daß diese
Kunden im Laufe des Jahres nach München
kommen. Und sie kommen nach München, weil
die Art des Verkaufs hier unter anderen Vor-
aussetzungen vor sich geht als beispielsweise
in Berlin oder in New York. Die behagliche
Ruhe der Stadt wirkt auf den Kauflustigen,
der in den meisten Fällen ein mit Arbeit über-
häufter Großkaufmann ist, viel günstiger als
das rasende Tempo Berlins. Prominente Ver-
treter des Münchner Kunsthandels versichern
mir, daß der gleiche Käufer, mit dem man
in Berlin oft tagelang verhandeln muß, in
München sich zuweilen in einer halben Stunde
zum Ankauf entschließt. Lind der Fall ist
nicht selten, daß Amerikaner, die sich in New
York, nahe an ihrer Arbeit und ihren Ge-
schäftsbüchern, nicht zum Ankauf eines gro-
ßen Objektes entschließen konnten, dasselbe
Stück später ohne langes Besinnen in Mün-
chen kauften.
Gerade Amerika ist ein Hauptabsatzgebiet des
Münchner Altkunsthandels. Aus diesem Grunde
haben die führenden Münchner Firmen sofort
nach Beendigung des Krieges —• der ihnen
durch Sequestrierung wertvoller Bestände Mil-
lionenverluste brachte — die Verbindung mit
New York wieder aufgenommen. Julius Böh-
ler hat seine bedeutendsten Objekte in der
Reinhardt-Galerie in New York, und das Haus
 
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