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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 19.1927

DOI issue:
Heft 23
DOI article:
Friedländer, Max J.: Über das Wesen der Kennerschaft
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https://doi.org/10.11588/diglit.39946#0749

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Botticelli Segnender Christus. Um 1480
Detroit, Museum
Die Kennerschaft beruht auf dem Gedächtnis, aber nicht auf »memoire«, son-
dern auf »souvenir« — nach Bergsons Terminologie — das heißt nicht auf der
Erinnerung an beobachtete Formtatsachen, vielmehr auf dem Wiederauftauchen
von Gefühlsregungen. »Dies habe ich schon einmal empfunden, dieser optische
Reiz trifft mich nicht zum ersten Male«. Um ein Sich-Entsinnen handelt es
sich. Wenn der neue Eindruck in die Spur eines alten fällt, erwacht der alte
Eindruck in seltsamer Lebhaftigkeit.
Verhältnismäßig leicht ist es darzutun, daß Messen, Notieren, Registrieren der
Formtatsachen niemals zu dem entscheidenden Urteile befähigen. Mindestens
kann durch mitteilbare Argumente nicht zwischen Original und Kopie, zwischen
Vorbild und Nachahmung unterschieden und, was wir mit dem vagen Aus-
druck »Qualität« bezeichnen, nicht erläßt werden.
Schwerer ist es darzutun, daß die Erinnerung an Gefühlserlebnisse dem Ziele
näher bringt. Was hat meine Phantasie behalten? — Die erregenden Vorgänge.
Der Ausdrucksenergie eines Kunstwerkes entspricht seine Eindruckstiefe. Vieles

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