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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 19.1927

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Heft 24
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Kunst-Literatur
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https://doi.org/10.11588/diglit.39946#0806

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MAX J. FRIEDLÄNDER: DIE ALTNIEDER-
LÄNDISCHE MALEREI. V. Band. Geert-
gen van Haarlem und Hieronymus
Bosch. 1927. Bei Paul Cassirer, Berlin.
Dieses grundlegende Werk schreitet rasch vor-
wärts. Eben ist der fünfte Band erschienen,
der sich würdig neben die ersten vier Bände
stellt. Erstaunlich zu beobachten, wie dieser
vielerfahrene Kenner aus dem Füllhorn seines
geistig-künstlerischen Besitzes alles, was er
wissenschaftlich erarbeitet, mehr noch intui-
tiv erfühlt hat, vor dem Leser ausbreitet mit
jener überlegenen geistigen Disziplin und in
einer Sprache, die jedes Wort klug abzuwä-
gen versteht. — Dazu diese Konzentriertheit
auf den Stoff, der meisterhaft gegliedert und
gebändigt, trotzdem mit einer fühlbaren in-
neren Anteilnahme und Leidenschaftlichkeit
durchdrungen ist.
Wer aus der Nähe das Werden dieses gewalti-
gen Opus beobachtet, das einmal als ein Monu-
ment von selten erlebter „klassischer“ Größe
der Nachwelt überliefert wird, empfindet im
Fortschreiten des Gesamtwerkes immer deut-
licher, daß im Gegenüber eines überragenden
Kapitels europäischer Kunstgeschichte mit je-
dem neuen Band auch die schöpferischen
Kräfte des Gestalters immer freier werden,
die den wahrlich spröden wissenschaftlichen
Stoff, der uns Modernen dennoch so nahe
steht, zu meistern versuchen. Hinter Fried-
länders Wort steht die Lebensarbeit des Ken-
ners, der nicht Philologe, sondern begnade-
ter „Seher“ ist. In seiner Darstellung über-
wiegt gegenüber allem rein Historiographi-
schen, das einen Kulturhistoriker ,,par excel-
lence“ ausweist, das rein künstlerisch Intui-
tive des Erlebens. Das allein macht ein so fer-
nes Gebiet alter Kunstgeschichte auch für den
Nichtspezialisten so lebenswarm, daß er gern
Stunden opfert, um in diesem, immer neuen
Buch zu lesen.
Kleinliche Philologen mögen mit Metermaß
und Beckmesser-Erwägungen kritisch gegen
ein solches Werk angehen; Anfänger mögen
gegen diese und jene Zuschreibung Bedenken
haben, die Totalität aber der geistigen Kon-
zeption innerhalb eines derartigen monumen-
talen Werkes führt alle Außenseiter von selbst
ad absurdum.
Der neue Band schwenkt plötzlich, aber durch
innere Zusammenhänge, zumal im Hinblick
auf Gerard David, restlos bedingt, in die hol-
ländische Kunstübung ein. Geertgen und Bosch
sind morphologisch nicht vom Gesamtthema zu
trennen und zwischen beiden steht der wun-

dervolle „Meister der virgo inter virgines“,
der in dieser Darstellung zum erstenmal die
volle Plastizität der Erscheinung gewinnt.
Wie aber Friedländer den Geertgen van Haar-
lem und später den Bosch gestaltet, beide in
die Zeit hineinslellt und für den modernen
Menschen lebendig werden läßt, das ist als Dar-
stellung und Erlebnis gleich künstlerisch und
unerreicht.
Auch der neue Band ist bei Wohlfeld gedruckt
worden und buchtechnisch vorbildlich.
Biermann
ANANDA K. GOOMARASVAMY: GE-
SCHICHTE DER INDISCHEN UND
INDONESISCHEN KUNST. Mit 4oo
Abbildungen. Übertragen von Hermann
Götz. Verlag Karl W. Hiersemann.
Leipzig 1927.
Das Buch gibt uns die vielleicht schmerzliche
Gewißheit, daß der indischen Kunstforschung
in Deutschland, ja vielleicht in Europa über-
haupt —, abgesehen von der Behandlung ein-
zelner Teilprobleme —, eine entscheidende Be-
deutung nicht mehr zukommt. Keine der
deutschsprachlichen kunsthistorischen Veröf-
fentlichungen zur südasiatischen Kunst der ge-
samten letzten Zeit kann auch nur annähernd
an ('ine Leistung, wie an die von Coomaras-
vamy heranreichen. Für eine derartige um-
fassende Darstellung der indischen Kunst ge-
nügen weder philologische Schulung noch
künstlerisches Verständnis, weder Fleiß noch
Intuition; sondern hier sind A'oraussetzungen
maßgebend, die uns einfach fehlen. Dahin-
gegen besitzt Coomarasvamy eine wohl von
keinem anderen Forscher erreichte, auf eige-
nen Augenschein beruhende Kenntnis der in-
dischen Denkmäler und der Sammlungen in-
discher Kunst. Durch seine Geburt ist er Inder
iind Anglosachse zugleich, so daß ihm indi-
sches wie abendländisches Kulturleben glei-
cherweise vertraut sind. Wir gestehen: Eine
fast einzigartige Chance, um für unser Wis-
sen und für unser Bemühen um das Verständ-
nis indischer Kunst und Kultur, Gewinn zu
ziehen. In der Tat ist das Buch von Cooma-
rasvamy als das Standardwerk der indischen
Kunstgeschichte zu bezeichnen, dessen Ausmaß
und Größe der Leistung alle, die selber einmal
glaubten, an der Erforschung der indischen
Kunstgeschichte mitarbeiten zu können, be-
schämen dürfte.
In jeder Hinsicht ist dieses Werk überragend:
Die Anordnung des gewaltigen Materials ist
klar und übersichtlich; der Stil des Textes ist
knapp und überzeugend : die Abbildungen sind

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