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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 19.1927

DOI Heft:
Sonderheft "Kunstliteratur" März 1927
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Wiese, Erich: Literatur zur deutschen Plastik
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https://doi.org/10.11588/diglit.39946#0820

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schlechtweg mustergültige Bearbeitung. — Störend wirkt auch bei diesen Bänden die
Beigabe von Abbildungen im Text. Man sollte sie diesem ebenso geschlossen anhängen
wie die Tafeln selbst. Technisch bedeutet das nur eine Erleichterung.
Hingewiesen sei in diesem Zusammenhang noch auf die Publikation von Lucien
Hell: „Der E n ge 1 sp f eiler im Straßburger Münster“ (Urban-Verlag, Frei-
burg i. Br., 1926), mit einem Vorwort von Otto Schmitt. Sie bietet die wichtigen
Skulpturen zum erstenmal in genügender Zahl von Aufnahmen (nach Abgüssen).
Erstreben die eben genannten Werke eine gewisse Vollständigkeit, so nennt
Schmitt seine „Oberrheinische Plastik im ausgehenden Mittelalter“
(„Urban-Verlag, Freiburg i. Br., 1924) eine Auswahl. Sie zielt aufs Wesentliche, legt
den Nachdruck auf wenige große Künstler: Nicolaus von Leyen, „Simon Leinberger“,
„Nicolaus von Hagenau“, den Meister H. L. von Breisach, Sixt von Staufen. Der Text
gibt neben einem klaren Überblick, der auch weitere Kreise befriedigen kann, mancher-
lei beachtenswerte Beobachtungen, die ein langes Studium der Materie verraten. Wenn
wir trotzdem schon jetzt in Fragen wie der mit dem Namen Simon Leinberger ver-
knüpften anders denken, andere ungeklärt bleiben, wie die Hagenau-Frage, so liegt
das in der Natur der Sache, ebenso wie es sicher ist, daß Schmitt auf die über-
raschenden Zusammenhänge des Stils des Breisacher Meisters mit den neuaufgefun-
denen Grünewald-Zeichnungen hingewiesen hätte, wären sie damals der Wissenschaft
schon zugänglich gewesen (besonders die Dorothea im Berliner Kabinett — Inv.
12035 — ist eine Statue auf Sockel im Stil des spätgotischen „Manierismus“). Die Er-
läuterungen zu den Tafeln weisen alle wünschenswerten Zugänge zur Literatur. Ein
Genuß für sich ist die technische Ausstattung des Bandes.
Weitgehende Anerkennung verdient die Bearbeitung der „Plastik des vierzehn-
ten Jahrhunderts in Sachsen und Thüringen“ von Herbert Kunze. Sie
ist im Rahmen der vom Deutschen Verein f. Kunstwissensch. herausgegebenen „Denk-
mäler der deutschen Kunst“ erschienen (Berlin. Bruno Cassirer. 1925. ,M 70.—). Das
wichtige Material Erfurts und des mit diesem zum Teil eng verknüpften ;,,Magdeburg-
Halberstädter Kunstkreises“ wird hier endlich mit allen Mitteln moderner Kunstwissen-
schaft gruppiert. Erscheint dabei die Stilkritik des Verfassers auch hie und da kühn,
so ist doch gerade seine in den meisten Fällen überzeugend fundierte Entschlossenheit
zur Folgerung wohltuend und wird es noch mehr durch die Klarheit in der Auf-
teilung des Stoffes und der Formulierung der Ergebnisse. 85 gute Lichtdrucktafeln ver-
mitteln in größtem Umfange die Anschauung, die durch einen sorgfältigen „Katalog“
ausgiebig erweitert wird. Kunze kündigt als Abschluß einen 2. Band an, der den
„Barbyer Kunstkreis“ und „Bildwerke ohne größeren Schulzusammenhang“ be-
handeln wird. Wenn dieser die gleichen Qualitäten aufweist wie der erste, wird mit
diesem Werk ein Hauptkapitel mitteldeutscher Plastik grundlegend geschrieben sein.
Fast einen Idealtypus kunstgeschichtlicher Publikation stellt die von Adolph
Goldschmidt: Die deutschen Bronzetüren des frühen Mittelalters
dar. Sie ist der erste Band des von Hamann in Verbindung mit dem D. V. f. Kwsch.
herausgegebenen Werkes: „Die frühmittelalterlichen Bronzetüren“ (Vlg. d. kunstgesch.
Seminars, Marburg 1926). Über 100 Lichtdrucktafeln nach mustergültigen Aufnahmen des
Marburger Instituts geben erschöpfende bildliche Auskunft. In einem besonderen T.ext-
heft behandelt Goldschmidt die vier frühen deutschen Bronzetüren: in Aachen, Mainz,
Hildesheim und Augsburg. Seine Ausführungen, wie immer aus gründlichster Denk-
mälerkenntnis Nutzen ziehend, bieten auch hier viele Ergebnisse, die man als nendgiültig
anerkennen wird; durchaus überzeugend ist vor allem die Klärung des Ikonographischen
an der Augsburger Tür.
Ganz analog in der Ausstattung ist die vom D. V. f. Kwsch. seinen Mitgliedern
für 1925 dargebotene Jahresgabe: Richard Hamann, Die Holztür der Pfarr-
kirche zu St. Maria im Kapitol (Vlg. des kunstgesch. Seminars, Marburg rg26).
Dieses einzigartige Werk des 11. Jahrhunderts ist nicht nur durch seine zeitliche Nach-
barschaft zu den figürlich dekorierten Bronzetüren von Hildesheim und Augsburg höchst
wichtig, es bereichert vor allem auch durch die Anwendung des andersartigen Werk-
stoffes unsere auf wenige Reste gegründete Kenntnis frühromanischer Plastik in Deutsch-
land. Die Tür ist an Ort und Stelle infolge ungünstiger Lichtverhältnisse schwer stu-
dierbar. Und doch hat das Marburger Institut aus diesem schwierigen Objekt, izum Teil
durch mehrere Aufnahmen unter verschiedener Beleuchtung, Bilder herausgeholt, die
allen Ansprüchen der Forschung genügen.
Überblickt man auch nur die (auf eine Auswahl sich beschränkende) Reihe der hier
angezeigten Werke, so muß man gestehen, daß gerade auf dem Gebiete der Material-
darbietung in Verbindung mit ernster wissenschaftlicher Interpretation die deutsche
Plastikforschung weitausgreifend vorwärtsschreitet.

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