mehr als heute aktiv am gemeinsamen Musizieren beteiligt waren. Sehr bald jedoch wurde sie,
und nicht zum wenigsten durch Mozart und den späteren Haydn, zu einer beaditetsten artistisdren
Angelegenheit, bis dann Beethoven ihre lebten Entwicklungsmöglidikeiten aufdeckte und ihr den
tiefsten und persönlidisten Ideengehalt anvertraute. Nach Beethoven hat die klassisdre, die
„absolute“ Sinfonie eigentlidr keine Fortschritte mehr gemacht. Die Sinfonie der Romantiker
triff, was formale Meisterschaft und inhaltliche Bedeutung betrifft, eher hinter Beethoven wieder
zurück und bereichert nur das musikalische Ausdrucksvermögen durch neue Farben und Stimmungen;
mit dem Auftreten Richard Wagners rückt die dramatische Musik in den Mittelpunkt des
Interesses, die Sinfonie verkümmert im Epigonentum, und nur am Ausgang des Jahrhunderts
erlebt sie in den Werken von Brahms und Bruckner noch einmal eine Nachblüte, hervorgebracht
durch die Verschmelzung klassisdier und moderner Elemente. Der eigenflidie Fortschritt zum
Neuen aber vollzieht sidi, wie wir sahen, in der programmafisdren „Sinfonischen Dichtung“.
* *
*
Bei allem Wandel der Erscheinungen zeigte selbst ein so kurzer Überblick wie der vorstehende,
der die Entwicklung nur in groben Zügen andeutet, daß die Sinfonie keine zufällige, an eine
Zeit- oder Geschmacksridrfung gebundene Ausdrucksform ist. In ihr hat sidi vielmehr das Verlangen
nadr instrumentaler Mitteilung das wichtigste Organ und zugleidi seine natürlichen Geseire
gesdraffen. Die Instrumentalmusik hafte es sdiwerer, ihre Formensprache zu bilden, da sie der
Stühe des Dichterwortes, an dem sich die Vokalmusik emporgerankt hat, entbehrt. Ihr Wesen
hat sich dennoch unzweideutig enthüllt, und ihrer bisherigen Geschidrfe ist zum mindesten dreierlei
mit Sidierheif zu entnehmen.
1. Von Anfang an ist die Sinfonie eine Art Selbstbekenntnis gewesen und hat sidr
folgeridifig immer mehr zu dieser höchsten Kunstform entwickelt. Unabhängig von der Realität
der Außenwelt, unabhängig von der Bestimmtheit des Wortes konnte der Komponist in ihr sidr
eine Welf erbauen, sein Denken und Fühlen ausspredren in einer Spradre, die doch nidif einer
Inneren Logik und Verstandlidrkeif entbehrt.
2. Die Sinfonie (den Begriff in seiner weitesten Fassung genommen) ist das gefügigste
Organ des Darsfellungsfriebes in Tönen. In der sinfonisdien Kunst hat sidr das Ausdrucks-
vermögen der Musik am stärksten und vielseitigsten entwickelt. Mit den Grundelementen der
Melos, der Harmonik und der Rhythmik, nicht wenig durdi ihre Fähigkeit zu koloristischen
Wirkungen hat die Sinfonie nach und nach alles Vorstellbare erobert und gezeigt, wie sie es
in ungeahnter Weise mit Hilfe von Konventionen und den Mitteln der Realistik in den Bereich
ihrer Darstellung zu ziehen vermag.
Beide Tendenzen, die darstellerische wie die psydiologische, haben sich in der Sinfonie neben-
einander herausgebildef, um sidr nicht seifen zu bekämpfen, zu durchkreuzen oder zu durchdringen.
3. In der fortschreitenden Ausbildung des sinfonisdien Stils offenbart sich das unablässige
Streben nach Verlebendigung des Ausdrucks. Der ganze Entwicklungsprozeß ist ein fortgesetztes
Ringen nadi Verinnerlidiung der seelischen Kundgebungen und nach Verdeutlidiung der künsflerisdien
Absidifen. Diesem Zwecke dient sowohl die Steigerung des musikalischen Pathos wie die stilistische
und koloristisdie Differenzierung der Mittel, die zunehmende Sinnfälligkeif der tonmalerisdien
(materiellen) Wirkungen. So sehen wir, wie im Verlauf dieses Prozesses die Sinfonik sidi
immer mehr von einer Formenkunst zu einer Ausdruckskunst entwickelt.
* *
*
Darf man nun — und das ist wohl erlaubt — aus den bisherigen Erfahrungen einen
Sdiluß ziehen, so wäre für die Zukunft der Sinfonie eine dreifache Gewähr gegeben.
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und nicht zum wenigsten durch Mozart und den späteren Haydn, zu einer beaditetsten artistisdren
Angelegenheit, bis dann Beethoven ihre lebten Entwicklungsmöglidikeiten aufdeckte und ihr den
tiefsten und persönlidisten Ideengehalt anvertraute. Nach Beethoven hat die klassisdre, die
„absolute“ Sinfonie eigentlidr keine Fortschritte mehr gemacht. Die Sinfonie der Romantiker
triff, was formale Meisterschaft und inhaltliche Bedeutung betrifft, eher hinter Beethoven wieder
zurück und bereichert nur das musikalische Ausdrucksvermögen durch neue Farben und Stimmungen;
mit dem Auftreten Richard Wagners rückt die dramatische Musik in den Mittelpunkt des
Interesses, die Sinfonie verkümmert im Epigonentum, und nur am Ausgang des Jahrhunderts
erlebt sie in den Werken von Brahms und Bruckner noch einmal eine Nachblüte, hervorgebracht
durch die Verschmelzung klassisdier und moderner Elemente. Der eigenflidie Fortschritt zum
Neuen aber vollzieht sidi, wie wir sahen, in der programmafisdren „Sinfonischen Dichtung“.
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Bei allem Wandel der Erscheinungen zeigte selbst ein so kurzer Überblick wie der vorstehende,
der die Entwicklung nur in groben Zügen andeutet, daß die Sinfonie keine zufällige, an eine
Zeit- oder Geschmacksridrfung gebundene Ausdrucksform ist. In ihr hat sidi vielmehr das Verlangen
nadr instrumentaler Mitteilung das wichtigste Organ und zugleidi seine natürlichen Geseire
gesdraffen. Die Instrumentalmusik hafte es sdiwerer, ihre Formensprache zu bilden, da sie der
Stühe des Dichterwortes, an dem sich die Vokalmusik emporgerankt hat, entbehrt. Ihr Wesen
hat sich dennoch unzweideutig enthüllt, und ihrer bisherigen Geschidrfe ist zum mindesten dreierlei
mit Sidierheif zu entnehmen.
1. Von Anfang an ist die Sinfonie eine Art Selbstbekenntnis gewesen und hat sidr
folgeridifig immer mehr zu dieser höchsten Kunstform entwickelt. Unabhängig von der Realität
der Außenwelt, unabhängig von der Bestimmtheit des Wortes konnte der Komponist in ihr sidr
eine Welf erbauen, sein Denken und Fühlen ausspredren in einer Spradre, die doch nidif einer
Inneren Logik und Verstandlidrkeif entbehrt.
2. Die Sinfonie (den Begriff in seiner weitesten Fassung genommen) ist das gefügigste
Organ des Darsfellungsfriebes in Tönen. In der sinfonisdien Kunst hat sidr das Ausdrucks-
vermögen der Musik am stärksten und vielseitigsten entwickelt. Mit den Grundelementen der
Melos, der Harmonik und der Rhythmik, nicht wenig durdi ihre Fähigkeit zu koloristischen
Wirkungen hat die Sinfonie nach und nach alles Vorstellbare erobert und gezeigt, wie sie es
in ungeahnter Weise mit Hilfe von Konventionen und den Mitteln der Realistik in den Bereich
ihrer Darstellung zu ziehen vermag.
Beide Tendenzen, die darstellerische wie die psydiologische, haben sich in der Sinfonie neben-
einander herausgebildef, um sidr nicht seifen zu bekämpfen, zu durchkreuzen oder zu durchdringen.
3. In der fortschreitenden Ausbildung des sinfonisdien Stils offenbart sich das unablässige
Streben nach Verlebendigung des Ausdrucks. Der ganze Entwicklungsprozeß ist ein fortgesetztes
Ringen nadi Verinnerlidiung der seelischen Kundgebungen und nach Verdeutlidiung der künsflerisdien
Absidifen. Diesem Zwecke dient sowohl die Steigerung des musikalischen Pathos wie die stilistische
und koloristisdie Differenzierung der Mittel, die zunehmende Sinnfälligkeif der tonmalerisdien
(materiellen) Wirkungen. So sehen wir, wie im Verlauf dieses Prozesses die Sinfonik sidi
immer mehr von einer Formenkunst zu einer Ausdruckskunst entwickelt.
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Darf man nun — und das ist wohl erlaubt — aus den bisherigen Erfahrungen einen
Sdiluß ziehen, so wäre für die Zukunft der Sinfonie eine dreifache Gewähr gegeben.
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