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Heidelberger Zeitung — 1898 (Juli bis Dezember)

DOI Kapitel:
Nr. 229 - 254 (1. Oktober 1898 - 31. Oktober 1898)
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https://doi.org/10.11588/diglit.42070#0347

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Sonntags ausgenommen.
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mit Familienblättern
monatlich SO Pf.
frei in's HauS gebracht.
Durch die Post bezogen
sbierteljährl. 1.25
»rsschließlich Zustellgebühr.
Telephon-Anschluß Nr. 82.

HMbkW' AitiiW

Jnsertionsgebühr
15 Pf. für die IspaUge
Pctitzet'.e oder deren Raum.
Für hiesige Geschäfts, und
Privatanzeigen bedeutend
ermäßigt.
Gratis-Anschlag
der Inserate auf den Plakat-
tafeln der Heidelb. Zeitung
und den Plakatsäule».

Telephon-Anschluß 'Rr. 8S.

Xr. 232. Erlies Klatt.

Mittwoch, dm 5. Octoder

1898.

Bestellungen
°uf die Heidelberger Zeitung für das IV. Quartal werden
fortwährend bei allen Postanstalten, den Briefträgern, den
Agenten, bei den Trägern in der Stadt, sowie in der
Expedition, Untere Neckarstraße Nr. 21, angenommen.
Bezugspreis: monatlich nnr 50 Pfg., frei in's Haus
gebracht; durch die Post bezogen Mk. 1.25 vierteljährlich,
Wit Zustellgebühr Mk. 1.65.
_-_

zd>H Das Romanfeuilleton findet der Leser im Heuligen

Politische Umschau.
Heidelberg, 5. October.
Auf dem sozialdemokratischen Parteitag in
Stuttgart hat man am ersten Perhandlungstag viel von
"EN letzten Rcichstagswahlen gesprochen. Die einen Redner
^klären sich davon befriedigt, während die anderen sie trotz
erheblichen Stimmenzuwachses und der Bermehrung der
Mandate unerfreulich finden. Man hat eben noch mehr
Een wollen und war nicht vorbereitet auf manche Ent-
aschungen, wie sie z- B. der Verlust zweier Reichstags-
M in Berlin und des einen Münchener Mandats brachte,
^uch über die Frage der Taktik hat man sich in Stutt-
gart wieder des langen und breiten unterhalten. Einige
Genossen, wie der ehemalige Theologiestudent Psus und
"Er Berliner Rechtsanwalt Heine, betonten, daß man nicht
Zuviel Zukunftsmusik Vorspielen, sondern die praktischen
Bedürfnisse der Gegenwart mehr im Auge behalten solle.
Der Prophet werde allmählich ein „langweiliger Pfaff",
Weinte Heine. Gegen solchen „Possibilismus", der sich
""ter Umständen selbst mit Militarismus und Kanonen
""Sufinden vermöge, eiferten besonders die Stuttgarter
Genossin Zetkin und der Abgeordnete Dr. Schönlank. Man
?"rfe die revolutionäre Tradition nicht aufgedcn, bemerkte
letztere, sonst werde aus der Sozialdemokratie eine kleine
.."rgerliche Reformpartei. Noch eine andere Genossin ließ
ach in Stuttgart hören, Frl. Dr. Rosa Luxemburg, eine
.Ee polnische Jüdin, die nach der Ausweisung der aus-
fischen Genossen Helphand (bekannter unter dem Namen
»Mvus") und Marchlewski aus dem Königreich Sachsen
?E Leitung der Sächsischen Arbeiterzeitung übernommen
Gz klang recht zukunftssicher, wenn die Genossin
Mrvg — diesen Beinamen hat sie als Nachfolgerin des
wfssxn Parvus alsbald erhalten — am Schluß ihrer
fe ausrief: „Wir werden die Herren bleiben trotz Sturm,
?fd und Schneidergeschwätz". Hiernach scheinen dem
sfnwerthen Stande der Bekleidungskünstler im Zukunfts-
nfe keine Rosen zu blühen. Bemerkenswerth ist ein
^fspruch, den der Genosse Vollmar in einer Kritik der
fchmüthigen" und „hochnäsigen" Dresdener Richtung machte,
alles besser wissen wolle. Er sagte: Uns könnte nichts
. "glücklicheres geschehen, als wenn uns plötzlich unerwartet
'E Macht in den Schooß fiele, weil wir nicht den
-?Iftischen Reifegrad dafür besitzen. Vollmar
fe dann bei: Wir wollen die Macht erreichen im Ver-
"fe der wirthschaftlichen Entwickelung, als eine innere
Michtliche Nothwendigkeit. Nun wohl, diesen Verlauf
; das Bürgerthum ruhig abwarten; er wird je länger
y"iehr wieder von der Sozialdemokratie, ihren Theorien und
Ölbildern fortführen.
. Wie der Pol. Corresp. aus Petersburg gemeldet wird,
cheiite Kaiser Nikolaus vor seiner Abreise von Li-
nach Kopenhagen dem interimistischen Leiter des
. Mvärtigen, Grafen Lambsdorff, den Befehl, den russi-
n," Botschafter in Konstantinopel zu ermächtigen, das
.^'"latum an die Pforte bezüglich Kretas zu unter-
^fen. Das Ultimatum wird unverzüglich dem Sultan

Berkäufer-Diplomatie.
stofl und Mädchen treffen beim Kauf von Kleider-
ih^" Achter ^ne Wahl, und kaufen schneller, wenn man
tzy? Warben vorlegt, welche nicht miteinander harmoniren.
d°rleV M"n mehrere schön zu einander passende Farben
8t, z. B. olivegrün, und silbergrau, grau und rosa,
lW grün, crsme und olivegrün, blau und grau,
so! und weiß u. s. w., dann gefällt den Damen alles
Ng? 7 sie eben alles haben möchten; da sie aber
Fa^e nehmen können, so wird ihnen die Wahl
E dem Schönen so schwer, daß es stundenlang
dsi l i Ehe eine solche getroffen ist. Und dann verfolgt
seh„^fErin noch jede nicht gekaufte Farbe so lange mit
geluüa gen Blicken, bis es dem bedienenden Commis
dügx.f ist, sie verschwinden zu lassen. Legt man
""chdem mau erst eine wirklich hübsche Farbe
d-ejtz 8t hat, zu Dieser eine gar nicht dazu passende, z. B.
f fmE, roth zu blau, oder grün zu blau,
Äichxr k die Käuferin meist sofort ab und wendet sich
gefällt s zu, weil ihr diese natürlich allein besser
Reich'g "E der neu hinzugekommenen vereint. Selbst-
vvrlxgp ?fthe ch"n, bevor man überhaupt erst eine Farbe
sie kg»- °tE Käuferin erst unauffällig aus, welche Farbe
Ulvi, möchte, und lege ihr diese Farbe dann, wenn
i» ?icht weiß, wie viel Geld sie anlegen kann,
^"alitlfi > beiger Waare vor. Dann kommt, wenn die
bessix. gefällt, dieselbe Farbe in neuem, immer
^ioff heran, so lange, bis die Kundin befriedigt

überreicht werden. Die jetzigen Zustände auf Kreta sind
in der That unhaltbare und eine Blamage für die vier
Mächte, die die Insel in ihre Obhut genommen haben.
Nach russischer Ansicht scheint nun der Augenblick ge-
kommen zu sein, um die Kandidatur des Prinzen Georg
von Griechenland für die Statthalterschaft auf Kreta durch-
zusetzen. Die Türkei wird sich dagegen wehren so gut und
so lauge sie kann, denn die Kandidatur des griechischen
Prinzen bedeutet die Auslieferung der Insel an Griechen-
land. Uebrigens würde Prinz Georg als Gouverneur
nicht auf Rosen gebettet sein. Die Feindschaft zwischen
den Christen und Muhamedanern ist so stark und so heftig,
daß jede Regierungskunst daran zerschellen muß, zumal da
die Christen sich den Besitz der in die Städte geflüch-
teten Muhamedaner angeeignet haben. Ist der Gou-
verneur unparteiisch und gerecht, so lädt er sich die Christen
auf den Hals, die von Gerechtigkeit gegenüber den Mu-
hamedanern nichts wissen wollen. Hält er zu den Christen,
so treibt er die ihrer Habe beraubten Muhamedaner zur
Verzweiflung. Die beste Lösung wäre es, wenn man die
Muhamedaner für ihren Besitz entschädigen und sie ander-
wärts in der Türkei ansiedeln würde. Dazu aber gehört
viel Geld und zudem die Zustimmung des Sultans.
Beides wird nicht leicht zu haben sein.

Deutsches Reich.
— In Leipzig tagte am Montag eine Konferenz
deutscher Schutzvereine für Handel und Ge-
werbe. Die Versammlung nahm einen Beschluß an, in
dem anerkannt wird, daß das Gesetz zur Bekämpfung
des unlauteren Wettbewerbs wohlthätig auf Treue
und Glauben in Handel und Gewerbe gewirkt hat. Es
habe sich aber in der kurzen Geltungsdauer des Gesetzes
herausgestellt, daß die Bestimmungen desselben dem un-
lauteren Wettbewerb nicht in allen Fällen genügend wirk-
sam cntgegentreten. Die Versammlung hält es deßhalb
für erforderlich, daß eine Commission zur Materialsamm-
lung eingesetzt wird, die eine gründliche Umgestaltung des
Gesetzes vorzubereiten hat.
— Die Skrupellosigkeit, mit der sozialdemokratische
Zeitungen gestohlene Briefe und Akte n st ü cke veröffent-
lichen. hat in Dresden erbauliche Früchte gezeitigt. Dort
beobachtete bei der Reichstagswahl der sozialdemokratische Bau-
gewerker Paul Schulz, wie ein Kontrolleur der Konservativen
einem Dienstmanu zwei Briefe mit der Weisung übergab, sie
zwei Mitgliedern der konservativen Partei — säumigen Wäh-
lern — zu übermitteln. „Genosse" Schulz bewog den Dienst-
mann, ihm die beiden Briefe zu übergeben, indem er versicherte,
er werde sie, da er gerade Gelegenheit habe, an die richtige
Adresse befördern. „Genosse" Schulz trug die Briefe aber nicht
an ihren Bestimmungsort, sondern ließ sozialdemokratische Stimm-
zettel dorthin besorgen. Der Vorfall kam heraus und „Genosse"
Schulz wurde wegen Unterschlagung soeben zu vier Wo chen
Gefängniß verurthcilt. Seine Partei kann ihn jetzt den
„Märtyrern" zuzählenI
Württemberg. Die Mischehen werden bekanntlich
von der katholischen Geistlichkeit oft in der heftigsten Weise
angegriffen. Zu diesem Kapitel bringt der württember-
gische Staatsanz. einen nicht uninteressanten Beitrag aus
der Feder eines katholischen Geistlichen. Dieser schreibt:
Der ff Bischof Dr. von Linsenmann führte gern das
Wort der Schrift im Munde, nach dem er auch in ungewöhn-
licher Liebe und Milde handelte: „Man soll den glimmenden
Docht nicht ganz auslöschen und das zerknickte Rohr nicht
vollends zerbrechen." Linsemann stammte aus gemischter Ehe.
Seine Mutter war evangelisch. Evangelische Anverwandte fanden
noch später bei ihm Unterstützung. Wenn er als Tübinger Theo-
logie-Professor auf die Gefahren von gemischten Ehen, bei denen
die Einheit des Glaubens fehle, zu sprechen kam, pflegte er bei-
zufügen: nicht alle derartigen Ehen nehmen an solchen Uebel-
ist. Daß es grundfalsch ist, erst gute Waare und dann
schlechte vorzulegen, weiß jeder Verkäufer; dieselbe Farbe
und dasselbe Muster sehen in einem leichten, billigen Stoff
so schlecht aus, daß man sie gar nicht mehr wieder-
erkennt.

Kleine Zeitung.
— München, 29. Sept. Wegen einer Reihe von Betrüge-
reien hatte sich der Studirende Dr. Higuchy Jidjiro von
Aitsiken in Japan vor der Strafkammer des Landgerichts I zu
verantworten. Der Angeklagte hatte früher in Würzburg studirt
und siedelte zu Beginn dieses Jahres an die hiesige Universität
über. Die Anklage ging dahin, daß er unter der Vorspiegelung,
er habe größere Geldsendungen zu erwarten, verschiedene Personen,
so einen Kellner, einen Schneidermeister, einen Buchhändler, um
nicht ganz unbeträchtliche Summen durch Creditirung der Zeche
bezw. durch Lieferungen gebracht habe. Unter ähnlichen falschen
Vorspiegelungen gelang es ihm auch, in mehreren Pensionen
längere Unterkunft zu finden. Der Angeklagte, der sich in deut-
scher Sprache vertheidigte, bestritt jede betrügerische Absicht und
behauptete, er habe thatsächlich von Hause und von seiner Landes-
regierung Geld zu erwarten gehabt. Das Urtheil lautete auf
4 Monate Gefängniß.
A Berlin, 3. Oct. Die Ilk. Versammlung der Führer
und Aerzte Deutscher Fretw- Sanitäts-Colonnen
vom Rothen Kreuz, welche vom 1.—3. October hier tagte,
nahm einen großartigen Verlauf. Es waren ca. 500 Delegirte
aus allen Gauen des deutschen Reiches anwesend. Aus Baden:
Oberst Stiefbold und Hauptmann a. D. Zabn aus Karlsruhe und
Buchdrucker E. Amann aus Heidelberg. Die Ausstellung
ist reich beschickt. Die heutigen Verhandlungen im Rathhaussaale
währten von 9'/- Uhr bis Vs4 Uhr Nachm. ununterbrochen.
Darauf folgte ein Festessen im Rathskeller. Als Vorort für
1899 wurde München gewählt. Die gestrige Uebung von
12 Uhr bis Nachmittags ö Uhr der Sanitäts-Colonne bei
Schöneberg bot ein höchst interessantes Bild der freiw. Kranken-

ständen theil; er selbst stamme aus gemischter Ehe und diese sei
ein Muster von Eintracht, Harmonie und Liebe gewiesen.
Auf die Centrumsblätter wird selbst dieser Ausspruch
ohne Wirkung bleiben.

Aus der Karlsruher Zeitung.
— Seine Königliche Hoheit der Großherzog haben den
Erpediturassistenten Wilhelm Häußler bei der Fabrikinspektion
zum Expeditor ernannt.
— Mit Entschließung des Ministeriums des Innern wurden in
gleicher Eigenschaft versetzt: Amtsrevident Oskar Waizen-
egger in Bonndorf zu Großh. Bezirksamt Donaueschingen,
Amtsrevident Hermann Bickel in Adelsheim zu Gr. Bezirks-
amt Bonndorf, Amtsrevident Karl Kilmarx in Konstanz zu
Großh. Bezirksamt Adelsheim, Amtsrevident Richard Schuster
in Ueberlingen zu Großh. Bezirksamt Waldkirch, Amtsrevtdcnt
Johann De Pelligrini in Waldkirch zu Großh. Bezirksamt
Ueberlingen, Ämtsrevident Friedrich Bechtel in Müllheim zu
Großh. Bezirksamt Konstanz.
— Mit höchst er Genehmigung Seiner Königlichen Hoheit des
Großhcrzogs ist mit der Vertretung der badischen evangelischen
Kirchenregierung bei der Einweihungsfeier Obcrkirchenrath Oehler
beauftragt worden. Der Präsident des Evangelischen Oberkirchen-
raths, der im verflossenen Winter eine schwere Krankheit über-
standen hat, sowie Prälat Schmidt müßten aus gesundheitlichen
Rücksichten auf die Theilnahme an der bedeutsamen Feier ver-
zichten.
— Der Evangelische Oberkirchenrath hat mit Erlaß vom 20.
v. Mts. die Geistlichen der evangelischen Landeskirche darauf
aufmerksam gemacht, daß am 31. Okt. die Einweihung der neu
erbauten evangelischen Erlöserkirche in Jerusalem, zu deren Bau
seiner Zeit auch unsere Gemeinden beigesteuert haben, in Gegen-
wart Ihrer Majestät des Kaisers und der Kaiserin, sowie der
Vertreter der evangelischen Kirchenregierungen, welch' jetztere hiezu
von Seiner Majestät dem Käiser eingeladen worden sind, statt-
finden wird. Den Geistlichen wurde empfohlen, ihre Gemeinden
im Gottesdienst am vorhergehenden Sonntag, den 30. October,
auf die Einweihungsfeier hinzuweisen und daran die geeigneten
Betrachtungen und Mahnungen anzuschließen.
Karlsruhe, 4. October. Der E r b gr o ß h erzo g
ist am Samstag Abend von Schloß Mainau nach Hohen-
burg abgereist, wo die Erbgroßherzogin sich bei ihren El-
tern befindet.
Gestern Mittag traf der Präsident der Generalintendanz
der Großh. Tivilliste Dr. Nicolai zum Vortrag auf Schloß
Mainau ein und wird einige Tage dort verweilen. Gleich-
zeitig kam auch Oberkirchenrath Oehler auf Mainau an,
um sich vor seiner Reise nach Palästina als Vertreter der
evangelischen Landeskirche bei den bevorstehenden Feiern in
Jerusalem bei Seiner König!. Hoheit dem Großherzog zu
verabschieden. Derselbe reiste heute Mittag wieder nach
Karlsruhe zurück. — Heute Nachmittag begaben sich der
Großherzog und die Großherzogin mittels Extra-
boots nach Schloß Montfort zum Besuch der Prinzessin
Luise von Preußen und kehrten Abends wieder nach der
Mainau zurück.

Ausland.
Frankreich. Paris, 1. Octbr. Heute Nachmittag
nimmt die Dreyfusangelegenh eit endgiltig ihren
gerichtlichen Weg. Generalstaatsanwalt Manau wird
heute auf der Kanzlei des Cassationshofes seine Schluß-
folgerungen aus dem Actenmaterial niederlegen. Ein Mit-
arbeiter des Journal des Debats hatte eine Unterredung
mit ihm. Manau sagte: „In diesem Augenblick könnte
der Justizminister noch, wenn er wollte, das Revisions-
verfahren einstellen; aber wenn ich einmal heute Nachmittag
meine Schlußfolgerungen dem Vorsitzenden Loew überbracht
haben werde, kann kein Minister, keine Kammer, ja selbst
ganz Europa nicht der Justiz die Angelegenheit mehr ent-
reißen." Ueber seine Schlußfolgerungen bewahrte der
Generalstaatsanwalt Manau natürlich Stillschweigen. In
dem heutigen Ministerrath ließ der Justizminister Sarrien
pflege im Kriege und war von Vertretern der höchsten Behörden ec.
und zahlreichem Publikum besucht. Morgen wird einer Einladung
nach Kiel von vielen Theilnehniern nachgekommen.
— Burg (Provinz Sachsen), 4. Oct, Der von Dr. Berson
und Spring geführte Ballon der internationalen Fahrten
ist, nachdem er eine Höhe von 7400 Metern erreicht hatte, bei
Burg gelandet.
— Schaffhausen, 4. Oct. Das Kantonsgericht hatte vor
Kurzem zwei Mörder, einen gewissen Bruetsch und einen
Italiener Zechinati, zum Tode verurtheilt. Beide reichten ein
Begnadigungsgesuch ein. über das der Große Rath zu entschei-
den hatte, dem alle Todesurtheile zur Bestätigung vorgelcgt
werden müssen. In geheimer Abstimmung stimmten im Falle
Bruetsch 37 für, 36 gegen die Todesstrafe, im Falle Zechinati
38 für und 34 gegen. Da nach dem Gesetz zwei Drittel der
Mitglieder des Großen Raths für das Todesurtheil stimmen
müssen, damit es Rechtskraft erlangt, in beiden Fällen diese
Mehrheit aber nicht erreicht wurde, sino die beiden zum Tode
Verurtheilten zu lebenslänglichem Zuchthaus begnadigt.

Vermischtes.
— (Vatersorgen.) „ . . Die^Knaben machen einem
doch mehr Sorgen als ein Mädchen! Sehen Sie, mein Sohn
ist jetzt sechsundzwanzig Jahre alt und erst Lieutenant, meine
Tochter ist neunzehn und bereits Frau Majorin!"

Lesefrüchte.
Wenn du geliebt, wenn du gehofft,
Wenn du gestrebt, gerungen,
Wenn du mit starkem Willen oft
Dein blutend Herz bezwungen:
Dann fühlst du, wie zu vollem Werth
Erwacht dein ganzes Leben,
Denn jeder Schmerz, der dich beschwert
Wird dich nur höher heben.
 
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