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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 2.1891

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Barber, Ida: Das neue kunsthistorische Museum in Wien: in seiner architektonischen, malerischen und dekorativen Ausschmückung
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https://doi.org/10.11588/diglit.11379#0213

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Seite s84.

Dezember-Heft.

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für „Znnen-Dekoration"

das neue kunMflovifche ^Dufeum Ln ^Aien

in seiner architektonischen, malerischen kmd dekorativen Ausschmückung.

Von Ida

viel man auch von der dekorativen Pracht des neuen kunsthistorischen
Museums, an dessen Bau und Ausschmückung Künstler von Ruf
seit nahezu 20 Jahren thätig waren, seither gehört, die Erwartungen
wurden weithin übertroffen, als endlich in den letzten Gktobertagen
der Prachtbau mit all seinen Kunstschätzen dem Publikum eröffnet wurde. Man
zählte in den eisten Tagen je 6—7000, am ersten Sonntag gar zzooo Besucher.
Des Staunens und Bewuuderns war kein Ende; und in der That, keine Haupt-
stadt der Welt kann sich rühmen einen herrlicheren Musentempel zu haben. Die
Mähr von dem Niedergange Wiens muß angesichts solcher Bauten, wie sie jetzt
im weiten Umkreis der Ringstraße entstehen, verstummen; die Vindobona ist stolz
darauf ein Musenheim zu besitzen, das an Größe, Inhalt, Reichthum und Ge-
diegenheit der malerischen und dekorativen Effekte die Kunsttempel anderer Städte
überstrahlt; weder der Louvre noch das
Berliner, das Kensington und Britisch-
Museum können sich mit dem wiener
Kunstpalast messen. Die Freude am Schö-
nen, die jetzt angesichts des Prachtbaus
überall zu Tage tritt, übt eine veredelnde,
sittigende Kraft und dürste in unsrer
materialistischen Zeit eine höhre Bedeu-
tung haben, als man allgemein annimmt.

Das Gebäude, im Jahre !;872 be-
gonnen, war äußerlich schon nach ;o
Jahren vollendet; weitere so Jahre
brauchte man sürdie Innen-Dekoration.

Der Erfolg hat denn auch das ;ojährige
Mühen der ersten Meister vom Fach ge-
lohnt; das Ganze gleicht einer Apotheose
der Kunst, einem ideal schönen Pano-
rama, das die Sinne fesselt, das Herz
zur Andacht und Bewunderung stimmt.

Die dem Maria Theresia - Monument
gegenüber gelegene Hauxtfacade wird
durch einen mächtigen, von einer Attik
gekrönten Mittelbau gegliedert. Den
obersten Theil der Kuppel ziert die Ko-
lossal-Statue der Pallas Athene von Jo-
hann Benk. Auf der Ballustrade rings
um das Gebäude sind Statuen, die die
Porträts bedeutender Künstler und Mä-
cene zeigen, aufgestellt; über den Fenstern
des zweiten Stockwerkes sieht man Kory-
phäen der Kunst portraitirt, deren Namen
in Marmortafeln verewigt sind; an den
Längsfacaden kunstvoll gearbeitete Me-
daillons, in denen der Sieg der Künste
und Wissenschaften über die rohe Gewalt
und Barbarei plastisch veranschaulicht
werden. Die Nischen der beiden Längs-
facaden des ersten Stockwerkes sind durch
Skulpturen ausgefüllt; wir bewundern da
die Figuren des Polykrates, Perikles,

Alexander des Großen, Rudolfs von
Habsburg, im Mittelrisalit zwei herrliche
Gruppen von Benk und Hellmer, Eros
und Psyche, Faust und Helena darstellend.

In den Bogenzirkeln über den Fenstern
sind in Hautreliefs alle jene Städte
xersonifizirt, welche im Kunstleben eine
Rolle gespielt haben; ganz besonders
sorgfältiger Ausführung erfreuen sich
die Städte Athen, Korinth, Rom, Byzant, Florenz, Venedig, Mailand.

Im Parterregeschosse erregen vier zwischen je zwei Säulen sitzende im
großen Stil ausgesührte Figuren, die die Architektur, das Kunstgewerbe, die Bild-
hauerei und Malerei darstellen, unser Interesse, über den Arkaden der Mittel-
risalite sind allegorische Gestalten, welche die der Kunst dienenden Kräfte und Stoffe
zur Anschauung bringen, xostirt, Greaden, Najaden, Sylphiden rc.— Das Museum
bildet ein Rechteck von t68,79 Meter Länge; die architektonische Durchbildung
dieser riesigen Außenflächen allein ist eine Sehenswürdigkeit; wenn irgendwo, so
gilt hier das Dichterwort:

And Schön'res find' ich nicht, so viel ich wähle,

Als in der schönen Form die schöne Seele."

Betreten wir also die der Kunst geweihten Hallen, in denen schöne Form
und schöner Inhalt wie selten in irgend einem modernen Prachtbau vereint sind.
Unter dem Kuppelbau öffnet sich eine breite dreifache Pforte dem schaarenweis
zudrängenden Publikum. Man befindet sich im achteckigen Vestibüle des Erdge-
schosses; der Blick streift bewundernd die hellschimmernden Stuckmarmorwände,
von denen sich dunkelrothe Säulenschäfte aus schwedischem Granit abheben; in

B a r b e r.

kreisrunden Medaillons sind oben die Köpfe Bramantes, Michel-Angelos, Raphaels
und Lellinis angebracht, wahre Prachtschöpfungen Tilgners; die Kuppel ist oben
durchbrochen und gewährt einen herrlichen Aufblick in den Prachtraum der oben
in Mattgold und Marmor erstrahlenden Kuppel bis zum Zcnith des Hauses.

Gerade ausschreitend betreten wir die große aus weißem karrarischem
Marmor hergestellte Freitreppe, die Ballnstraden der Stiegen sind aus rothem
Engelsberger Marmor, die Säulenxilaster aus weiß und schwarz marmorirtem
Stein mit übergoldeten Metall-Grnamenten hergestcllt; auf dem Mittelpodeste
fesseln zwei Löwen in Karraramarmor, die das kaiserliche Wappen halten, unsere
Aufmerksamkeit; die große Theseus-Gruppe in leuchtendem weiß nimmt die
Mittelwand ein; nach rechts und links führen 6 Meter breite weiße Marmorstiegen
hinauf in die Bildergallerien; die koloristische Pracht des Treppenhauses, dessen

Plafond Muncaczy's Apotheose der Kunst,
Hans Makarts zwölf Lirnettenbilder
zieren, bannt die Besucher. Die Menge,
die da auf den Stiegen postirt ist, scheint
sich nicht sortbewegen zu wollen; man
weiß nicht, soll man mehr die tieftöni-
gen, reich nüancirten, mit Goldeffekten
harmonisch abgetönten Marmorsäulen,
die Flächen über diesen (40 Gemälde auf
Goldgrund, die den Entwickelungsgang
der Kunst bei den verschiedenen Völkern
darstellen) oder das gewaltige Bild
Michel Munkaczy's, dessen reicher, kraft-
voller Ton den Goldglanz der roth
nüancirten Marmorsäulen und wände
noch zu übertreffen scheint, bewundern.
Um die Leinwand für dieses Gemälde
zu beschaffen, mußte ein eigener Web-
stuhl und für diesen ein eigenes Haus
gebaut werden. — Im Hintergrund des
in Hoch-Renaissance gehaltenen Kuppel-
raumes sehen wir Papst Deo X., dem
Bramante den Bauplan zur Peterskirche
erläutert; links im Fond steht Paul
Veronese auf hoher Staffel an einem
Gemälde beschäftigt, unter der Loggia
Tizian, einem Schüler Anweisungen
ertheilend, zur Rechten Michel Angela,
gedankenvoll den Morten des Patriarchen
Lionardo lauschend.

Munkaczy hat es wunderbar ver-
standen die gemalte Architektur in sei-
nem Prachtgemälde mit der des Mu-
seums in Einklang zu bringen: die
rothen Säulen an des Papstes Loggia
stehen genau über den Säulenpaaren
der Wand gegenüber dem Hauxtein-
gange und geben der Vorstellung
Raum, als bilde Munkaczy's Bild die
wirkliche Decke des Prachtbaues.

Ursprünglich war es bestimmt,
daß Hans Makart mit dein Decken-
gemälde betraut werden sollte; es war
ihm nicht vergönnt sein schon be-
gonnenes Werk zu vollenden; um so
mehr verdienen Makarts Z2 Lünetten -
bilder, die den großen Kuppelraum um-
geben, Beachtung. In der Mitte eine
Allegorie: Gesetz und Wahrheit, gegen-
über religiöse und profane Malerei, xersonifizirt durch Tizian und Michel Angelo;
an der rechtsseitigen wand Porträt Rembrandt in Medaillonform, von zwei Genien
gehalten, zu beiden Seiten die Bilder von Rubens und Raphael, diesen gegenüber,
gleichfalls von Genien umrahmt, die Bilder von Leonardo da Vinci, van Dyk,
Velasquez.

von geradezu staunenerregender Pracht ist die obere Kuppel; die Säulen
dieses achteckigen, schlank anstrebenden Domes sind aus dunklem Portovenere-
Marmor gefertigt, mit goldiger Bronze ornamentirt. Die Zwischenwände aus
lichtbraunem, röthlich angehauchtem Marmor sind in helleren Tönen gehalten,
das Ganze ist als ein Pantheon der kaiserlichen Mäcene Desterreichs gedacht; der
herrliche Relieffries von Prof, weyr, der das in großem Stil ausgeführte Rund
umgiebt und aus 8 großen Tableaux besteht, zählt zu den prachtworken dieses an
Schönheiten so reichen Kuppelbaues, von großartigem Eindruck, reich an inten-
siver Licht- und Schattenwirkung, ist die Gruppe Kaiser Franz Josef als Mäcen
Gesterreichs darstellend. Das Porträt des Kaisers wird vom Genius der Kunst
und der auf den Basteimauern sitzenden Vindobona umrahmt, ihr zur Seite ein
putto mit dem Plane der Stadterweiterung. Links von dieser Gruppe das por-
 
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