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Galerie Flechtheim [Mitarb.]
Der Querschnitt — 16.1936

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Heft 1
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Drews, Wolfgang: Film-Querschnitt
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https://doi.org/10.11588/diglit.74679#0068

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wieder seine Tradition, die sich in den historischen Fällen
oftmals pompös auf prächtigen Treppen versteigt, den
Stil überbetont und ihn eine eigene Existenz führen läßt.
Der Spielfilm schwankt immer noch zwischen einer lahm'
grotesken Unterstreichung und einer verstaubt'knalligen
Übertreibung, er müßte sich am Alltagsleben, an der
Realität der Gegenwart orientieren. Reinhold Schünzel
(„Amphitryon"), Herbert Maisch („Königswalzer"), Hans
H. Zerlett („Die selige Exzellenz") wandten sich mit
sauberen, in einem ernsteren Sinne humorvollen Filmen
gegen den Grobianismus der deutschen Posse. Das so'
genannte Filmlustspiel ist gemeinhin eine Sammlung
von groben Komiken, knalligen Pointen, Klamauk und
Klamotte. Die drei beweglichen, vom feineren Witz ge'
tragenen Filme verbinden das Leichte mit dem Ge'
fälligen, den Spaß mit der Vernunft.
Das Bestreben der Regisseure kann nur durch die
Autoren gefördert werden. Noch halten die unbelehr'
baren Produzenten die Drehbuchschreiber an, deutlich zu
motivieren, ihre Figuren nicht dem Leben abzulauschen,
sondern von den Erfolgen der Schauspieler abzuleiten.
Die Autoren schreiben keine Rollen mehr, sie wandeln
das Schema ab, sie verbrauchen den Typ, sie schöpfen
aus zweiter Hand. Sie verleiten den Darsteller zum„litera'
rischen" Spiel, das nicht mehr die Summeeines Menschen
zieht, sondern einen Schatten immer wieder ein Monokel

Leo Slezak Zeichnungen Stenbock, tragen, sich räuspern, die Mundwinkel verziehen und
pathetische Gesten vollführen läßt.
Der echte Schauspieler, den das Manuskript nicht unterkriegt, hat gelernt, daß die großen Ent'
larver Kamera und Mikrophon nur ein Minimum an Ausdruck zulassen, eine Andeutung, die dis'
kreteste Äußerung. Daß man dabei stark und eindringlich bleiben kann, sehen wir an den neuen
Darstellern, die ihre Bühnenkunst für den Film umformen: an den verhalten^gefühlvollen Frauen
Käthe Gold, Brigitte Horney, Ingeborg Theek, an den knapp und verkürzt spielenden Männern
Werner Hinz, Willy Birgel, Rene Deltgen, Will Dohm, Erwin Klietsch, Alexander Engel. Es wäre ein
Fehler, darüber zu vergessen, daß die Kunst nicht Natur schlechtweg, sondern nur geformte Natur
sein, daß der echteste Grad der Wirklichkeit nicht das Spielen, Theaterspielen ersetzen kann. Paula
Wessely, die aus ihrer Natur ihr Kunstmittel macht, überwältigt als die Kunststudentin der „Episode"
mit der Kraft ihres Spieltemperaments, das die Wahrheit ihrer Empfindung, die Tiefe ihres Aus'
drucks erhöht und überbaut.
Der Schauspieler deutet an, der Autor motiviert. Er begründet doppelt und dreifach. Bei den
Amerikanern trat im „Oberarzt Dr. Monet" eine leichtlebige, gefallsüchtige Frau auf, die die Intrige
anspinnt. Dieser Charakter könnte genügend Verwirrung stiften, aber die Frau wird, damit es jeder
Esel im Parkett auch merkt, noch mit einem Mordverdacht belastet. Klotzig und derb wie die Be'
gründung ist die Berechnung. Im „Grünen Domino" hatte nichts und niemand mehr ein Eigenleben,
war jede Figur und jedes Geschehen auf den Spannungszweck berechnet. Der Zuschauer ist versucht,
jeden Satz und jede Geste nachzuprüfen, nachzurechnen und steht mit kaltem Schauder vor der
herz' und hirnlosen Mathematik in Reinkultur. Um neue Stoffe und neue Stile zu gewinnen, wird
der Autor erst einmal sich auf das Einfachste, Schlichteste beschränken, das Naheliegende angreifen
müssen. Er soll nicht für Schwachsinnige und Zurückgebliebene arbeiten, aber er soll die Vor'
schriften der Logik beachten.
Noch immer sind wir von der Einheit des Kunstwerkes weit entfernt. Regisseure und Schauspieler
gehen nebeneinander den Weg. Die Autoren bleiben zurück. Die gemeinsame Arbeit von Verfasser
und Spielleiter, das festgelegte Drehbuch, die vorbereitete, durchprobierte Aufnahme, die Zeichen
der „Mazurka" sind Zeichen des Fortschrittes, erste Anzeichen der Vollendung. Aber die Frage
des Vorwurfs, von Thema und Handlung und Geist bleibt unbeantwortet.

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