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Galerie Flechtheim [Contr.]
Der Querschnitt — 16.1936

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Heft 1
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Drews, Wolfgang: Film-Querschnitt
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https://doi.org/10.11588/diglit.74679#0069

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Der Dichter kann nicht kommandiert und kann nicht abgewartet werden.
Die Zwischenlösung braucht fast nicht genannt zu werden. Es ist der Griff in die Bücherregale,
die Anleihe bei der Weltliteratur. Heinrich Oberländer schuf nach Hermann und Dorothea, dem
gültigen Liebespaar des achtzehnten Jahrhunderts, die „Liebesleute" des zwanzigsten, das ist eine
mögliche Methode.
Wertvoller ist Robert A. Stemmles Drehbuch nach Hamsuns Novelle „Viktoria", das die Dichtung
selber zum Filme werden ließ. Es ist wertvoller, weil der Weg in die Zukunft weist. Die Psychologie
und das Erlebnis, Zug um Zug, Szene für Szene waren dem Film erhalten, in den Film umgesetzt,
zum Bilde geworden. Nicht zu einem schönen und holden Bilde, sondern zu einem Bilde, das sich
mit dem Worte verband, das das Wort mittragen hilft und das Wort durchsichtig macht. Die mensch#
liehe Substanz, die künstlerische Kraft der Dichtung erhält sich in jeder Umformung und macht
jedes Bedenken gegenstandslos. Die Umformungen, die der Film verlangte, durchbrechen nicht
den Geist der Dichtung: der Erfolg des Müllersohnes Johannes muß im Film sinnbildlich gezeigt
werden, Johannes erhält den norwegischen Literaturpreis und trägt — hier zeigt der Film wieder,
wie er eine große Spreche und Theaterszene in sich aufnehmen kann — Hamsuns herrliche Nobeh
preisrede vor. Dann: die Novelle beschließt der Abschiedsbrief der sterbenden Viktoria, im Film
spricht Viktoria ein paar Sätze des Briefes, durch die Großaufnahme aus dem realen Zusammen^
hang eines Spiels mit Partnern kühn herausgenommen zu einer nicht mehr symbolischen und spuk^
haften, sondern aus Geist und Gefühl geborenen Wirkung.
In „Viktoria" ist der epische Dialog für den Film gewonnen — wieder ist der Kreis geschlossen,
Bild und Gegenbild rücken aufeinander zu. Es wäre dumm, den Film auf das Epische zu beschränken,
es wäre einseitig, nur das Dramatische ihm zuzubilligen. Die eine Möglichkeit „Viktoria", die
andere „Pygmalion". Und dazwischen die beherrschte Verbindung im gelassenen Stil der „Mazurka".
Die Kunst des Tonfilms entsteht, weil Künstler das mächtige, weithin wirkende Instrument in
die Hand bekamen, sie wird sich vollenden, wenn die seßhaften Machthaber, die sturen Erben, die
groben Geschäftemacher den beweglichen Köpfen, den mutigen Eroberern, den starken Talenten
weichen.


Eugen Klöpfer Karikatur von V. Knoth

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