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Galerie Flechtheim [Contr.]
Der Querschnitt — 16.1936

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Heft 3
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Scheuermann, Wilhelm: Immer noch Morganismus
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https://doi.org/10.11588/diglit.74679#0185

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Beschießung in die Keller geretteten Postsachen angewiesen gewesen sei. Hätte er
keine Briefmarken gehabt, so hätte er dieVersteinerungensammeln können, die in den
Kalkwänden steckten, dieTropfsteine und die Kalzitkristalle, die sich in Jahrhunderten
an den Gewölben gebildet hatten, die in den friedlichen oberirdischen Tagen nicht
genug beachtete Algenflora, welche die feuchten Mauerritzen belebte. Der echte
Sammler kommt nie in Verlegenheit, wenn er sich eine neue Welt erobern soll.
Das gerade unterscheidet ihn von den Ewiggestrigen, die sich ebenfalls Samm^
ler nennen und die doch in Wirklichkeit nichts anderes sind als armselige Spe^
lanten auf dem börsenmäßigen Künste
markte. Sie zählen nicht zu den Glücke
liehen der Jahrhunderte, da sie heute
erst gestrig sind und morgen wieder nur
gestrig sein werden. Eine Geschichte des
Sammelwesens ist in Deutschland noch
nicht geschrieben worden, sondern die
echten Sammler haben es sich gefallen
lassen müssen, daß sie in den Üben
schlägen der Kunstmarktbörsenberichte
ein bißchen nebenbei erwähnt worden
sind, weil einmal nicht darum herum
zu kommen ist, daß sie ebenso wie der
redliche Kunsthandel früher da waren
als die Kunstbörse, und weil vor Zeh
ten manches Bild, das inzwischen in einer
öffentlichen Galerie gelandet ist oder
noch zwischen den großen Börsenum^
schlagsplätzen herumpendelt, in ihren,
in echten Sammlerhänden gewesen ist.
Der Spekulationssammler, der vom
Generaldirektor aufwärts mitzuzählen


Gavarni

beginnt, hat es leicht mit der Wahl seines Gebietes, denn die erfährt er aus
dem Kurszettel, der in diesem Falle sich aus den Berichten der großen Ver^
steigerungshäuser zusammensetzt. Also sehr gefragt sind etwa heute Vorläufer
der Pleinairisten. Eigentlich ein scheußliches Geschmier, man weiß gar nicht,
was es vorstellen soll und ist zu gebildet, um sich die Blöße zu geben, den Künste
händler zu fragen. Von den Gästen, denen man es zeigt, rät jeder auf etwas
anderes. Dabei sind die Namen dieser Künstler so schwer zu behalten, und
nicht einmal ihre Unterschrift können die Kerls leserlich hinschreiben. Aber
das ist nun schon gleich, sie haben neulich bei Christie in London Bombenpreise
gebracht. Wollen mal sehen, was sie nächste Woche in Paris erzielen werden. Als
dann der Pariser Bericht eintrifft, ist die Enttäuschung groß. Pleinairisten Vorläufer

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