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Die Republik — 1849

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No. 1 - No. 26 (2. Januar - 31. Januar)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44148#0073

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Erſ heint Montags ausge-
nommen täglich. In Heidel-
berg vierteljährig 45 kr.
Durch die Poſt bezogen im
ganzen Großh. Baden | fl.
10 kr. Bei Inseraten koſtet
die dreiſpalt. Petitzeile 2kr.



„Für das Volk und gegen seine Bedränger. ‘“

Die Republik.

Beftellung wird gemacht in
Heidelberg in der Buch-
druckerei von Renner u.
Wolff und bei Kaufmann
Berner; auswärts bei
allen Poſtämtern. Briefe
werden frankirt erbeten.





M 18.

_ Elinige Worte aus Amerika
; von

Friedrich Hecker.

Heidelberg, 19. Januar. Vor einigen Tagen erhielt

ein hieſiger treuer Freund Heckers von demselben folgende Zu-

ft ge his unsern Leſern mitzurheilen gütigſt ermächtigt
at. Er ſchreibi:

Belleville, 10. Dez. 1848.
Mein lieber Freund!

Aus meiner Freiſtatt in „the kor West‘ richte ich diese
Zeilen an Dich, weil ich weiß, daß Du einer der Wenigen
biſt, die mir im Glücke wie in der Verfolgung Ireunde geblie-
ben sind, und weil ich denke es wird Dich intereſſsiren, von
den Geſtaaten des Missiſſipi Einiges übec Amerika von mir
zu hören. Doch das unglückliche Vaterland soll nicht vergessen
ſein. Damit Du Dir gleich einen Begriff von Amerika machſt,
ſage ich Dir, daß ich durch ten elektriſchen Telegraphen von
hier Morgens nach New-York, 5 600 Stunden weit schrei-
ben und Abends Antwort haben kann. Was würde eine
teutſche Büreaukratenſeele ſagen wenn der Telegraph jedem
Hausknechte zur Dispoſition / ſtünde um ſeinen beliebigſten
Brief da - oder dorthin zu richten. Vorgeſtern kam der Dämp-
fer Brittania mit den europäischen Nachrichten in Boſton an,
ſie wurden sogleich nach Neu-York und von da nach St. Louis
mitgetheilt, und geſtern Abend erhielt ich sie durch den Omni-
bus bereits von St. Louis aus durch die Redaction eines
Journals gedruckt zugesendet, und das Ganze geht den Staat
und seine Verwaltung nichts an. Und in Deutschland muß
das Blut der beſten und edelſten Söhne stromweiſe fließen, um
ein neues Joch mit Menſchenblut gefärbt, dem Volke aufzule-
gen. Wien gefallen! (o deutsches Warſchau!) Berlin erdrückt,
Süddeutſchland bloquirt! Alles, alles hat die Verſammlung
in Frankfurt zu verantworten, all das Biut, das gen Himmel
schreit. Aber nun geht's an sie, die Monarchie wird diesen
ihren faulen Ofenſchirm nun zum Gerümpel werfen, und Deine
feine Nase witterte den Leichengeruch dieſes Cadavers zeitig ;
ich habe: oft an Dich gedachte. h

1{ Wie großartig und erhaben ift die Selbftregierung des
Volkes in dieſem freieſten der Länder. Von Selkgouvernement
hat Niemand einen Begriff, wer diese Erde nicht betreten und
wahrlich, jeder Mann des öffentlichen Lebens sollte die Union
bereiſen. Du, haſt Du einmal Zeit und Luſt, würdeſt begei-
ſtert ſein und der Aufwand iſt nicht groß, ich wollte Dich mit
12— 1500 fl. von Heidelberg bis St. Louis und zurück ganz
comfortable reiſen und ſo lange aufhalten sehen, daß Du einen
Schatz von Erfahrungen sammeln könnteſt, der über M.'s
Bibliotheksſchädel hinausging. . ph



Ich habe die Präſidenten-Wahl mit angesehen, das ganze :

Volk in Bewegung, meetings, stümpspeeches , Umgänge bei

Sonntag, 21. Januar.



1.849.

Tag und bei Nacht, Illumination der Bilder ron Ca ß und
Tailor, der ganze Kampf abgemacht mit Papier, Drucker-
ſchwärze, Dinte, Feder und Stimmkaſten und noch vor der Wahl
Alles still, der Majoritäl des Volkes und dem Gesetze gehor-
chend. Es wird Dir nicht unintereſſant sein, eine solche Wahl
im Detail kennen zu lernen. Bekanntlich wird der Präſtdent
durch Wahlmänner, welche aus dem Gesammtvolk erwählt,
erkürt. Jeder Staat ſtellt ſo viele Wahlmänner, als er Re-
präsſantanten und Senatoren zusammen nach dem Congreß sen-
det. Wenn nun das letzte Jahr der vierjährigen Dienstzeit
heranrückt, so werden in den einzelnen Coonties (in welchen
jeder Staat zerfällt) jeden Staats durch. Männer , die sich um
die öffentlichen Angelegenheiten bekümmern, Versammlungen
ausgeſchrieben. Jeder Coontie zerfällt in Townſhips. Ge-
wöhnlich halten nun dieſe Townships Meetings, bei welchen
ein Präſident und Sekretär gewählt wird, und wählen Delegaten.
Dieſe Delegaten aller Townships treten in das Coonties-Mee-
ting zuſammen und wählen Delegaten, welche sich gewöhnlich
in der Hauptſtadt des Staats am feſtgesetzten Tage verſam-
meln. An dieſem kommen nun die Delegaten aller Coonties
zuſammen und wählen Delegaten für die Convention, welche
zu berathen und vorzuſchlagen hat, wer als Candidat für
die Präſident - und Vizepräſidentschaft aufgestellt werden ſoll.
So halten die Whigs, ſo die Demokrats ihre Versammlungen,
und so war dieses Jahr die Verſammlung der Delegaten der
Whigs und der Democrats in Baltimore und Philadelphia die
Erſtere ſtelle Taylor und Fillmore, die andere Caß
und Butlitler als Präſidenten- und Vizepräsidenten - Can-
didaten auf. Bei den Meetings werden zugleich die Elec-
tors (Wahlmänner) vorgeſchlagen und von der Delegaten-
convention jedes einzelnen Staates feſtgeſettt, während die De-
legatenconvention aller Staaten nur die Personen des Präsi-
denten beſttmmt. Nun ſind dieſe Letzteren bestimmt, davon be-
nachrichtigt, haben die Candidatur angenommen und jetzt geht's

ans Operiren, durch die Preſſe, Meetings, Slumspeeches u.

s. w. Der November kommt heran, die Wahl der Electors
wird vorgenommen, jede Partei gibt ihre Zettel ab und mit
der Wahl der Wahlmänner iſt die Wahl bes Präſidenten ent-
ſchieden, denn ich wollte keinem Elector rathen, fich von den

Democraten als Elector auf die Liſte setzen und wählen zu

laſſen und dann für einen Whig als Präſident zu stimmen,

| u. s. w. Wenn ich dagegen die Perfidie unserer Wahlmän-

ner bedenke, befällt mich ein unüberwindlicher Eckel.
Großartig iſt wieder, zu sehen, wie die ganze Union har-
moniſch auf demselben Prinzip beruht. An der Spitze steht
das Prinzip des Volkes, und jedem Einzelnen siad alle denk-
baren Rechte, und die Freiheit, zu thun was ihm beliebt, vor-
behalten, so ferne nicht ein Gesez eine Beschränkung dieſer
naturrechtlichen Freiheit ausspricht. Ein erhabener Satz , wo-
mit eigentlich eine besondere Bill of rights überflüſſig wird;
ein fernerer erhabener Satz iſt wieder der, daß keine der drei
Gewalten: gefetzgebenden, vollziehenden, richtenden, irgend
eine Gewalt üben kann, die ihr nicht ausdrücklich vom Volke
 
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