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Die Republik — 1849

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No. 78 - No. 101 (1. April - 29. April)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44148#0337

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Erſcheint Montags ausge-
nommen täglich. In Heidel-
berg vierteljährig 435 kr.
Durch die Poſt bezogen im
ganzen Großh. Baden 1 fl.
10 kr. Bei Inseraten koſtet
die dreispalt. Petitzeile 2kr.

D]





„„Für das Volk und gegen seine Bedränger.".

' Republik.

Beftellung wird gemacht in
Heidelberg in der Buch-
druckerei von Renner u.
Wolff und bei Kaufmann
Berner; auswärts bei
allen Poſtämtern. Briefe
werden frankirt erbeten.



R~ SU.
Deutſchland.

1| Bruchsal, 4. April. Was wir erwartet und längst
vorauegesagt, iſt geſchehen. Struve, der treue Freund des
Volkes, der Monarchie ſchon lange verhaßt, iſt ihr entlich
zum Opfer gefallen. Die Bourgeoiſie, im Bunde mit der
Monarchie, hat ibn zum Danke für jahrelange Aufopferung,
für ſein korſcquentes Festhalten an der Standarte der ewigen
unveräußerlichen Menſchenrechte, zu einer „entehrenden,-1 geiſt-

tödtenden Strafe verurtheilt, zu einer Strase, die man ſeit | !

einem Jahrhunderte in dem abſolutiſtisſchen Preußen nicht aus-
UN wagte, die nur in unserem „freien- Baden mög-
lich iſte.

Wir müſsſen die Art, wie dieſes Urtheil zu Stande kam,

näher beleuchten.

Nachdem Struve durch die Machinationen der Geldari-
ſtokratie, welche die republikanische Regierungsform im Allge-
meinen die soziale Republik und Struve als deren Vertreter
in Baden besonders fürchtet und haßt, gefangen war, ver-
wahrte man ihn hinter den Wällen und Gräben einer Feſtung,
damit die Regierung, welche + leider! ~ nicht Ursache oder
Muth genug gehabt, ihn zu erſchießen, Zeit erhalte, ihn
„„ von Rechtswegen - nicht nur phyſiſch , sondern auch moraliſch
zu tödten.

; Man muß geſtehen, daß Herr Bekk seine Zeit benügt
at.. ;

Das Geſschwornengericht, nach einem ächt vormärzlichen
Tenſus, wie er nur in dem vertrockneten Gehirn emes Mi-
niſters entſtehen kann, zusammengesetzt, hat Zeit gehabt, seine
Lektion einzulernen und hat ſie nun getreu hergeſagt. Struve
erſcheint vor den Schranken. – Vor seinem männlichen wür-
devollen Auftreten zerſtieben die Verläumdungen, womit halb-
offizielle Zeitungen und offizielle Miniſter die heilige Sache,
welche er vertritt, begeifert hatten, schlagen bie Ankläger die
Augen nieder und weichen scheu zurück. Aber nicht als offene
Jeinte decken ſie den Rückzug vom Schlachtfelde, wo ihr
Prinzip unterlegen, –~ nein! Schritt für Schritt legen ſie
dem Gegner Netze, Schritt für Schritt bewerfen sie ihn mit
Koth, indem sie Vergehen auf ihn wälzen , die ihm nicht zur
se können, weil er ſie weder angeordnet, noch ſelbſt
vollführt hat.

ließ. ;
Wie sollten auch die Geschwornen, diese . Ehrenmänner,--
die 20 und mehr Gulden Steuer bezahlen, denen die Unver-
leglichkeit des Cigenthums über Alles geht, nicht entrüſtet ſein,
wenn ſie hören, daß in einer Revolution, welche Struve her-
vorgerufen und geleitet hal, eine Tabckspfeife entwendet (!)
ein Haus demolirt wurde, und die Reichen, die ihre Mitwir-
kung versagten, ihres Vermögens entweder ganz verluſtig er-
klärt, oder zu Kontributionen verurtheilt wurden!!

Mußten nicht ſie selbſt für ihre Tabakspfeiffen und Häu-
ser, ja für ihr geſammtes theures Eigenthum fürchten, wenn
ſie solche Gräuel ſanktionirten ? ;

Sie glaubten ihre Pflicht zu thun , indem ſie das „Schul-
dig «» ausſprachen, und wähnen sich für die Zukunft ſichec.
Wahrlich, ein glänzendes Beiſpiel für die Unabhängig-
keit unserer Gerichte, dieſer oberrheiniſche Gerichtshof, der den
Angheklagten alle Entlaſtungszeugen vorenthält und dem Hrn.

Dienstag, 10. April.

Diese gar ſchlaue Taktik iſt es,, die ihn verurtheilen |



1849.

Mirifter Baptiſt Bekk unangenehme Wahrheiten erspart hat!
Ein Beispiel, das verdiente, in Erz aufgezeichnet zu werden,
das wir aber in Ermagelung von Erz jedenfalls im Gedächt-
niſſe behalten werken. . .

Wir für unsere Person ſind überzeugt, daß diese Verur-
theilung, wie der politische Peſſimismus überhaupt, für unsere
Sache nur nützlich sein kann, wenn ſie uns auch für den Au-
genblick eines Mannes beraubt, deſſen eiſerner Charakter in
unserer Zeit so ſelten iſt, der so treu an seiner Ueberzeugung

ängt.

Aber die Schande, daß das badiſche Volk ruhig zuſehen
konnte, daß man seit Monaten die Vorbereitung zu dieser Ver-
urtheilung traf, wie das Beil für seinen treuen Vorkämpfer
geschliffen wurde, iſt darum nicht geringer, und man möchte
verzweiſseln, bei der jetzigen Thatenlosigkeit und Jeigheit, die
tus der verrätheriſchen Hofpolitik Thür und Thor
öffnet. ~

Wir halten dennoch feſt an der Sache des Volkes, und
ſchicken dieſe Zeilen in die Oeffentlichkeit, als Beweis, daß
weder bittere Erfahrungen, noch perſönliches Mißgeschick den
Muth beugen, die Ueberzeugung wankend machen können.

Die Revolution, nicht die politiſche allein, sondern auch
die soziale, deren erſte Szene im Juni v. J. auf den Barri-
kaden in Paris gespielt wurde, bleibt sicher nicht aus und
wenn auch die Männer, welche einsichtsvoller und ſcharf-
ſichtiger ſind, als die Maſſen, jett für ihren guten Willen
deportirt, oder hinter Kerkermauern begraben werden, wenn
auch für den Augenblick die gute Sache unterliegt, –~ die
Revolution läßt ſich nicht hemmen.

Der März wird wieder kommen, da die Hunderttauſente
von Bajonetten vor dem allmächtigen Wehen des Volksgeiſtes
ſich beugten, wie das Rohr vor dem Winde, und dann wer-
t rt ss geſchworen sei's - nicht bei halben Maßregeln

ehen bleiben.

Wehe dann den feigen Verräthern, allen feilen Seelen,
die für Gold und Ehrenſtellen ihre beſſere Ueberzeugung
verrierhen! Das Volk läßt ſich oft betrügen, aber nicht im-
je: und die Rache wird um so furchtbarer, je später ſie
ommt. x
Unser iſt die Zukunft.

Hoch die Republik!

_ Erin politiſcher Gefangener.
( 1 1% Handſchuchsheim., s. April. So ſehr unsere
hiesigen Gesinnungsgenoſsen über die Rachrichten aus verſchie-
denen Wahlbezirten erfreut waren , daß dieſelben zu der jetzt
noch beſtehenden rathloſen Kammer in Karlsruhe keine Ersatz-
männer wählten, so ſehr waren die hieſigen Einwohner in ſehr

, | großer Anzahl darüber aufgebracht, daß die Wahlmänner von

Handſchuchsheim, obſchon einige das Ehrenwort gegeben hatten,
ſie würden keinen Ersatzmann wählen, dennoch eine Kammer-
fizur gewählt haben. .'# '

_ Dieſe Wahlmänner haben nun gewiß zum letzten Mal
ihr Amt geübt; nur Schade, daß das Sprichwort: ,Ende
gut, Alles gut!"’ nicht zur Wahrheit wurde. Nachdem eine
Zahl von mehr als 100,000 Bürger der Geſellſchaft in
Karlsruhe im Ständehaus das Vertrauen aufgekündigt und
über die Erſatzwahlen, welche das Miniſterium Befkk - Mathy



dem Volke zum Hohner angeordnet, seine Unzufriedenheit ge-
äußert hat, entblöden sich die Wahlmänner des Heidelberger
 
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