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Die Republik — 1849

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No. 125 - No. 141 (1. Juni - 21. Juni)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44148#0543

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Erſcheint : Montags ausge-

nommen täglich. In Heidel- . . ; ] d “

berg und Umgegend monatl.

1 5 kr., vierteljährig 45 kr. ; ' / ; ;

Durch die Poſt bezogen im es ; 0

ganzen Großh. Baden 1 fl.

10 kr. Bei Inseraten koſtet

vie dreiſpalt. Petitzeile 2 kr.
Einzelne Nummern 2 kr.

Ak 138.

„Für das Volk und gegen seine Bedränger.''

Sanurſtag, 1 6. Juni

Bestellung wird grmacht in
Heidclberg in der Buchdruk-
kerei von O. A. O z wald,
bei Kaufmann Berner,
Porzelanmaler Wa g n e r;
auswärts bei allen Poſtäm-
tern, Briese werden
frankirt erbeten.

1849.









Deutſchland.

*r Heidelberg, 13. Juni. Das Zwangs-
anlehen. Die konſtituirende Versſammlung hat ein
bei den Reichen zu erhebeudes Zwaugsaulehen ſcbon
beſchloſſen oder wird es noch beſckliesgßen. Wir ſagen
ver dieſe Maßregel Folgendes :

Es gibt zwei Arten des Erwerbs. Entweder er-
werbe ich etwas von einem Andern wider seinen Wil-
len und ohne ihm eine Gegenleiſtung zu machen, oder
erwerbe ich etwas von einem Andern, indem ich mein
Produkt gegen das ſeinige austauſche. Zu der erſten
Klaſſe gehört der Betrug, der Diedbſtahl, der Raub,
die Eintreibung von Steuern, die Zwangsanlehen; zu
der zweiten Klaſſe der Verkehr, der Handel und Wan-
del in allen seinen verſchiedenen Arten und Beziehun-
gen. ~ Betrug, Diebſtahl, Raub ſind Erwerbsarten,
welche den leidenden Theil ſehr unangenehm berühren;
ſie ſind deßhalb verboten, mit Strafen bedroht, und
nur dann gestattet, wenn der Menſch in der Noth-
webr ſich befindet, ſich nicht mehr anders zu helfen
weiß, mit ſeiner Familie verhungern müßte. In die-
sem Falle wird er vou dem Geſchwornengerictt frei-
gesprochen. Beurtheilen wir von dieſem Standpunkt
aus das Zwangsanlehen, so wird nicht in Abrede zu
ziehen sein, daß dadurch eben ſo gewaltsam das Eigen-
thum angetaſtet wird, als wenn man z. B. Jemand
mit der Piſtole in der Hand ein Anulehen von 3 fl. ab-
fordert. Eine solche Maßregel wird daher in der
Regel nicht zu geſtatten und zu entſchuldigen , von dem
Geſschwornengericht der öffentlichen Meinung nur dann
zu billigen sein, wenn ſich der Staat im Staude der
Nothwehr befindet, wenn er ſich anderſt nicht zu hel-
fen, wenn er ſonſt kein Geld zu bekommen weiß, als
durch Antaſtung des Privateigenthums.

Nun gibt es aber in Baden eine Menge von Staats-
domänen im Werthe von Millionen; es gibt eie
Menge von Stiftungen, deren Vermögen als Eigen-
thum in todter Hand brach liegt, – viele Milionen
ſind das, — es gibt ein ungeheures Kirchenvermögen
im Belauf wiederum von Millionen; es gibt endlich
eine Menge von Gütern, welche dem entflohenen Groß-
herzog, den Woctenmarktgrafen, den Grundherren
u. s. w. gehören.

Nun hat jener große Herzog ſeit 1850 jährlich
600,000 fl. vom Lande als Civilliſte geraubt, die
Wochenmarkgrafen haben Apanagen geraubt, die Grund-
herren haben Zehnten, Beeden, Gülten, Frohnden ein-
gezogen. AU dieſer Raub muß zurückerstattet werden.
Geld iſt alſo in Hülle und Fülle vorhandey für die-
jenigen, die es wagen es in Beſitz zu nehmen. Zwar iſt
dieſe Beſitznehmung ungeſetzlich, revolutionär, aber höctſt
zweckmäßig, höchſt nothwendig. Soll daher, fragen
wir, nicht das Eigenthum in todter Hand, die Domäs-
nen, das Kirchenvermögen, die Stiftungen und ferner






angetaſtet werden, ehe
Ein Zwangs-
thaſt, als der Staat in der

Lage iſt, anderswoher ſich Gel ;
ihr guten Bürger , ihr ſchreit
uus uud Heiligkeit des Eigen
heit, das Privateigenihum vo
zu wahren, Y

" ber Communis-

u. ver- affen. Wohlan,

Heidelberg, 13. Juni. Die erſte Nummer des
deuiſchen Zuſchauers iſt als Probeblatt erſchienen und
enthält einige sehr intereſſante Artikel. – Wir entneh-
men dem Artikel: «Die Feblgriffe der revolutionären
Behörde Badens» Folgendes:

Bis zn dieser Stunde iſt in Baden nicht viel mehr
geſchehen, als daß an die Stelle der vier ehemaligen
Departementschefs und an die Stellen mehrerer Offi-
ziere andere Personen getreten ſind. In den Minviſte-
rieu des Innern, der Juſtiz und der Finanzen ſitzen
die alten reaktionären Miniſterialräthe noch immer feſt
und wiſsen jede durchgreifende Maßregel zu verhindern.
Das Kriegsminiſterium, dessen Vorſtand im Laufe von
drei Wochen nicht weniger als sünsmal wechselte, iſt
noch immer nickt organiſirt, und ein Miniſterium oder
auch nur eine Sektion der auswärtigen Angelegenhei-
ten beſteht nicht.

In den drei Miniſterien, welche ihre oberſten Beam-
ten, mit alleiniger Ausnab me des Vorſtandes , beibe-
hielten, herrſcht natürlich das alte Syſtem unter dem
dünnen Schleier der Revolution nach wie vor. Die
meiſten Richter warten nur auf den Augenblick, die
jetzigen Inhaber der Staatsgewalt wegen Hocbverraths
in Unterſuchung zu nehmen. Die Verwaltungsbeamten
ſchmieden im Geheimen ihre Ränke, die Finanzbeamten
verfügen noch immer über die nicht unbedeutenden
Streufkräfte der Grenzjäger, viele Geiſtliche predigen
otfen von den Kanzeln gegen die jetzige Ordnung der
Dinge in Baden.

Unter dieſen Umſtänden dürfen wir uns nicht wun-
dern, daß der Adel und alte Offiziere, welche ihren
Dienſt nicht verließen, dem Landesausſchuſse und der
proviſoriſchen Regierung mit Macht entgegenarbeiten.
Die Reaktionäre im Lande Baden reichen die Hand
den reaktionären badiſchen Flüchtlingen. Nicht der
Wackſamkeit und der Thatkraft der oberſten Behörden,
ſondern dem Eifer des Volkes und der Wehrwänner
iſt es zuzuſchreiben, daß die Reaktion noch keinen offe-
nen Gewaltſtreich verſucht hat. t

Der erſte Fehler wurde gemacht, als ſich die Vor-
ſtände der drei organiſirten Miniſterien von ihren Beam-
ten die Eidesformel, welche ſie leiſten wollten, abtrotzen
ließen, der zweite, als Hinkeldey freigegeben und die
meiſten reaktionären Beamten in ihren Aemtern beſtä-
tigt wurden. Die Revolution kann nur durch revolu-
tionäre Beamten und durch revolutionäre Maßregeln
befeſtigt werden. Wir aber in Baden haben noch im-
mer unſere alten reaktionären Beamten, und weder
Landesausſchuß, noch Vollziebungsbeyhörde und provi-
ſoriſche Regierung haben ſich auch nur zu einer einzi-

gen eigentlich revolutionären Maßregel emporgeſchwun-

gen. Das Beſltreben aller dieſer Behördeu ging ledig-

lich darauf hin, ſo ſcbuell als möglich in die alte

Bahn der ſ. g. Geſetlickkeit, d. b. der Bureaukratie,
des Pfaffenthums und des Geldwucters zurückzukehren.
Die Hoffnungen, welche die entſchiedeneren Männer

auf die proviſoriſche Regierung setßten, ſcheinen ſich nickt
zu verwirklichen.

Die Verhaftung Fickler’s und die
Abreiſe Sigel's zum Heere brachten die drei Borſtände

der mit den alten Bureaukraten beſetzten Miniſterien

iy den Alleinbeſittz des Staatsruders. Wir Find weit
eutſermt, dieſen drei Mänzern zu nahe treten zu wets
 
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