Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Republik — 1849

DOI Kapitel:
No. 1 - No. 26 (2. Januar - 31. Januar)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.44148#0077

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
10 kr. Bei Inseraten kostet

1
Erſ heint Montags ausge- ..;
nommen täglich. In Heinen.
berg vierteljährig 45 kr.
Durch die Poſt bezogen im
ganzen Großh. Baden | fle.

die dreiſpalt. Petitzeile 2kr.





„Für das Volk und gegen seine Bedränger ‘'

Beftellung wird gemacht in

Berner; auswärts bei
allen Poſtämtern. . Briefe
werden frankirt erbeten:

; M) ; Ü 6.4 blik Heidelberg in der Buch-
F cp1 p ! | druckerei von Renner u.
d > . VWolff und bei Kaufmann







1849.



M= 19.0.

Vereinigte Staaten von Deutſchland.

Heidelberg, 21. Januar. Man lieſt ſeit einigen
Wochen mit dem größten Erſtaunen, daß auch Petitionen g € -
g e n die Auflösung unserer traurigen Kammer an den Groß-
herzog eingeschickt worden; daß aus dem Volke gegen ſein
eigenes Intereſſe Bittſchriften nach Karlsruhe geſchickt wor-
den. Daß derartige Adressen und Petitionen nicht durch das
Volk und aus dem Volke entstehen, iſt klar, aber wie sie zu
Stande kommen, konnten wir bis jetzt noch durch kein Beiſpiel

belegen. Wir haben hier ein klaſſiſches Beiſpiel, das zwar

nicht aus unserem Lande genommen iſt, vor uns, und theilen
§ yyfern Veſern mit der Bemerkung mit: wie dort, so
überall.
In der Provinz Preußen übergab Herr von Bardeleben
seinem Wirthschafteinſpektor eine Ergebenheitsadreſſe an den
König von Preußen, in der für die aufgedrungene Verfaſſung
gedankt und gebeten wurde, die Abgeordneten der Linken ſammt
und sonders zur Untersuchung zu ziehen. Der Inspektor ward
beauftragt , Unterſchriften dafür unter dem Gutsherren und
Bauern des Samlandes zu besorgen, und wurde ihm dabei zu
verſtehen gegeben, daß in Berlin ein ſ< w ar z e s Buch eriſtire,
worin alle Diejenigen verzeichnet würden, die es nicht mit dem
König hielten, „damit ſie bei geeigneter Gelegenheit zu einer
höheren Steuer herangezogen werden.x Einem Schullehrer
des Kreiſes wurde von Herrn von Bardeleben bei Vorlegung
der Adreſſe bemerkt: ver, Hr. u. B., habe einen gewaltigen
Einfluß höheren Ortes und von ihm hinge das Verbleiben
Ye Fttlzzien des Lehrers aus seinem Amte lediglich und al-
ein ab.-

*.* Maunheim, 20. Jan. Mit Freude habe ich Ihnen
vor einigen Tagen mitgetheilt, daß Brentano Bürgermeister
unserer Stadt durch die Wahl des Volkes geworden. Ich
habe aber eines vergeſſen zu bemerken, nämlich, daß diese
Wahl in einem konſtitutionellen Staate vorgenom-
men worden, in einem constitutionellen Staate, wo das Volk
Nall und die Hohen Alles ind. Die Wahl VYrentano's
iſt vom Miniſterium n icht beſtätigt worden!
Iſt das vernünftig, wenn das Volk nur solche wählen darf,
die einigen beliebigen Menſchen gerade angenehm ſind ? Wie-
der ein Stücklein, um neue Republikaner zu machen)

~ HFlorian Mördes iſt gegen Cautioy ſeiner Haft ent-
laſſen worden.

Karlsruhe, 19. Jan. In der heutigen Kammer-Siz-
zung wurde die Verhandlung über die Petition des ehemali-
gen Lieutenants Siegel weiter beſprochen und beendigt. Bren-
tano hatte beantragt : daß auch Siegel unter die noch zu er-
laſſende Amneſtie begriffen ſein ſolle, aber dieser Antrag wurde
pit 28 gesen 10 Stimmen verworfen! (dies iſt eine Volks-
ammer!

Dienstag, 23. Januar.



Die M. Abdz. bemerkt hierüber: So haben denn alle
jene nnſrer Mitbürger , welche in dem verfloſſenen Jahre von
den Militärgerichten zu Zuchthaus- und anderen Strafen ver-
urtheilt wurden, keine Hoffnung, daß sie den Tag der Frei-
heit ſo bald begrüßen werden, da die Kammer, welche bei ih-
rem Amneſtiebeſchluſſe nur die vorzüglichſten Leiter und Anſtif-
ter ausgenommen, nun auf einmal allen Militärperſonen die
Wohlthat der Amnestie entziehtt Intereſſant war es, daß Mi-
niſter Bekk bei der öffentlichen Meinung die Aeußerung Bren-
tano s: „die sogenannten Rebellen“ anklagte. Das Strafge-
ſepbuch kennt wohl Landesverräther, Hochverräther, Aufrührer,
aber von Rebellen weiß es nichts. Die Bezeichnung „Rebell“
iſt alſo weiter nichts als ein Schimpfwort, mit dem man
Männer zu belegen sich nicht ſcheut, über deren Schuld der
zuſtändige Richter noch nicht erkannt hat. Brentano hätte da-
her eher sagen sollen: die ſogeſchimpften (ftatt die ſogenann-
ten) Rebellen. Uebrigens sollte ſich Herr Miniſter Bekk auf
das Urtheil der öffentlichen Meinung , welcher er läglich ins
Gesicht ſchlägt, nicht berufen. f

Frankfurt, 20 Januar. Mit 258 gegen 211 Stim-
men haben die sogenannten Volksabgerordneten in Frankfurt be-
ſchloſſen, daß ein regierender Für das Reichsoberhaupt
Deutschlands werden solle. Gute Nacht Revolution.

Aus dem Reiche. Die Reichs- Bajazzo's, die wir
nach Frankfurt entsandt, um uns einen guten Carnevals-Wig
aufzuführen : haben die Sache erſt reiflich erwogen und entle-
digen ſich jezt gewissenhaft ihres Auftrages. Sie haben unter
unsere geliebten 33 bis 36 Landesväter mit und ohne Gottes
Gnade ein großes Bonbon in Form einer Kaiserkrone ge-
ſchleudert und kaum liegt es auf dem Boden: ſo ſtürzen die 3
Dutzend Majeſtäten in wilder Haſt drüber her, um es zu er-
haſchen, und kneifen und puffen, zausen und ſchimpfea ſich, daß
wir Reichskinder uns nicht erinnern, je eine ſolche Faſchings-
luſt genoſſen zu haben. . !

Jetzt hat die ſchwarzweiße Majeſtät das Kaiſerkleinod ge-
faßt, ſchon glaubt ſie's im Triu.nph heimführen und „Meinen
lieben Berlinern- zum Genuß durch die Straßen reiten zu
können: da krallt ſich eine olmügiſche Kroatentazze in das Ju-
wel ein und zwei liebliche Kalbsaugen sprühen Wolluſtfunken
um ſich her ob der rechtzeitigen Berührung. Leider iſt inzwi-
ſchen auch eine knochige Roaſtbeef-Hand nicht unthätig geblie-
ben, sie hat mitangefaßt und ihre andere Schweſter klopft ge-
waltig auf die ſchwarzweißen Finger und die ſchwarzgelben
Tazzen los ſo daß unsere ſtrittigen Landesväter in ein schmerz-

liches Au wai Geſtöhn ausbrennen. Da nun auch der Reichs-

Max, vom sanftmüthigen Abel ermuntert, ſich gleichfalls in den
Kaiſerknäuel verſchlungen hat : so bleibt nichts übrig , als die
ganze unter einander wie in die Reichskrone verbiſſene Sipp-
ſchaft fFammt dem Gegenſtande des Kampfes vom Turneiplatze
nach dem Berathungslokale der Reichs-Bajazzo’'s zu transpor-
tiren und letzteren die Eniſcheidung zu überlaſſen. Schleunigßt
traf man die nöthigen Zurüſtungen.
 
Annotationen