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Die Republik — 1849

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No. 102 - No. 124 (1. Mai - 31. Mai)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44148#0433

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Erſcheint Montags ausge.
nommen täglich. In Heidel- g,,
berg und Umgegend moall.
15 kr., vierteljährig 45 kr. A
Durch die Poſt bezogen im
ganzen Großh. Baden 1 fl..
10 kr. Bei Inseraten koſtet
die dreispalt. Petitzeile 2 kr.
Einzelne Nummern 2 kr. .





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Die liepublik.

; Für das Volk und gegen seine Bedränger.'



Freitag, 1 1. Mai

Beſtelung wird gemacht in
Heidelbrrg in der Buchdruk-
kerei von O. A. Oßwald,
bei Kaufmann Berner,
Porzelanmaler Wa gn er ,
u. bei der Expedition Lit.
D. 306; auswärts bei allen
Poſtämtern. Brieſe wer-
den frantkirt erbeten.





§û DBS Ü)

1849.













Deutſchland.

*r Heidelberg, 9. Mai. Was wird wohl
das Ende vom Lied ſein? Was wird anus der
jetzigen Bewegung hervorgehen; wird ſich das Volk
abermalen beruhigen, abermalen durck fürſtliche Ver-
ſprechungeu das Heft des Revolutionsmeſſers aus der
Hand winden laſſen, das es aus der Scb'eide gezogen
hat und bereit iſt, dem Königthum in den Leib zu ren-
nen ? Oder wird die Reaktion es zum Kampfe kommen
laſſen nud ihre ganze Eriſteuz auf eine Karte ſetzen ?
Vor einmgen Tagen noch batte die leztere Möglickkeit

die größere Wahrſcheinlichkeit für ſich. ~~ Der dicke
Mann in Berlin hat ſickerlich nur uach reiflicher
Ueberlegung seine 2. Kammer auseinander gejagt, der
Verſammlung in Frarkfurt die Krone vor die Füße
geworfen und die Aucrkennunz der Reich sverfaſſung
ganz beſtimmt verweigert. Er wußte ja, was auf
dem Spiele ſtand, konnte sich über die Wirkung ſeiner
Maßregeln nicht täuſcheuz allein er wußte auch, daß
er durch die Anerkennung der Reicbsverfaſſung Zuge-
ſtändniſſe mackte, die vom Standpuukt des preußiſcben
Königthuws aus ziemlich bedeutend zu neunen waren;
er wußte endlich, daß die glänzenden Siege der Un-
garn über ſeinen Berbündeten , den unmündigen Habs-
burg, als ebeuſoviele Siege der Demokratie in Deutltſch-
land üer das Köntgtvrm nacbwükten, uuv von Tieſer

Seite aus nber kurz oder lang eine Löſung der ſchwe-

benden Fragen herbeiführen mußten. Darum drängte

es zur Entſcteidung; zur Entscheidung, welche mit

Hülfe der Ruſſen herbeigeführt, die Frage zum Abſchluß
bringen ſolite, ob künftig die Fürſten wieder herrſchen
ſollen oder nicbt. |
In wenigen Tagen ſah man die Parteien in zwei
große Heeclager ſich abſondern, die einander ſchlag-
sertig gegenüber stehen.. Auf der einen Seite Hohen-
zollern mit ſeinem ,,berrlichen Kriegsbeer‘’, das in ſei-
ner größeren Mehrheit unbedingt ihm zur Verfügung
ſteht, ferner Wittelsbach in Müncken mit ſeinem Kriegs-
heer, das, wenn auch nickt ſo zablreich, doch einem
großen Theil nach ſür fürſtliche Intereſſen todiſchießt
und ſich todtſchießen läßt, und endlich der Ntikolaus,
der Barbar mit ſeinen Heerden, die unbedingt gehor-
ſame Werkzeuge in ſeiner Hand ſind. :

Auf der andern Seite die ſiegreicbe, unwiderstehliche .

urgariſche Revolutionsarmee, der bei weitem größte
Theil der Truppen in Süd- und Weſtdeutſctland,
dazu die gesammte waffenfähige Bevölkerung. Ö
Den Kern der reaktionären Streitkräfte bildet nn-
ſtreitig die preußiſche und ruſſiſche Armee, und in
Vertrauen auf ihre Stärke war wobl Hohenzollern be-
reit, den Kampf zu beginnen. Allein den neueſten
Nachricbten zufolge iſt sein wicttigſter Allürter, der
Zaar, vechinderk, Feine Streitkräfte ins Feld zu füh-
ren. Sei es daß in Rußland ſelbſt ſie verwendet
werden müſſen, sei es daß England gegen die Ueber-
scbreitung der Grenze proteſtirt. + So ſteht Hohen-
zellern mit ſeinem ,, herrlichen Kriegsheer ‘’ fas noch
allein. -- Die Winkelregenten im übrigen Deutſchland
werden durch die drohende Haltung der Bevölkerung

zum Nachgeben gezwungen und werden ihren Freund

Hohenzollern wit in dieſe Nachgiebigkeit hineinziehen.

erbeutet wurde . . ,

In Sachsen hat das Volk bereits geſiegt. In den
Reihen des Volkes ſteht überdies die ganze Maſſſe je-
ner feigen, allen extremen Sctritten feindlichen, vaters

ländiſch - heuleriſchen Filiſter, die jedes Entgegenkom-

men von Seiten der herrſchenden Gewalt willig und
mit Freuden annehmen. Die Aktien ſtehen daher nicht
mehr günſtig für den mäcktigen Herrſcber in Preußen;
er wird, von allen Seiten gedrängt, nacl geben, wie
er im März vorigen Jahres nactgegeben hat. Nun
wird das Miniſterium Manteuffel-Iiadowitz abtreten,
ein anderes an seine Stelle kommen; in Sactſen,
Baiern, Baden werden die Miniſter ebenfalls abtre-
ten und durch nene ersetzt, und das Ende vom Lied iſt
ein Miniſterwechſel in ganz Deutſchland, iſt die Rück-
kehr zum konſtitntionellen Königthum, das sogleich ſein
Spiel von neuem beginnen und nach einiger Zeit wie-
der da angekommen sein wird, wo es jetzt ſteht. Das
wird das Eude vom Lied ſein, Bürger, laßt Ihr
Euch dieſes Ende gefallen ?

* Heidelberg, 9. Mai. Die ruſſiſche Intervens
tion iu Ungarn unterbleibt, weil in Rußland ſelbſt Unru-
hen ausgebrochen sind, und weil Eugland energiſch dage-
gen proteſtirt habe. Das letztere ſcheint uns wahrſchein-
lichet. Uebrigens mochten die Zaaren von Rußland
und Preußen wohl auch bedacht haben, daß der Ein-
marſch der ruſſiſchen Schweine in Ungarn einen Brand
entzünden könnte, der sſoba!d nicht wieder zu löſchen
wäre und ſämmtiiche Throuſeſſel Europas, ſammt den
darauf ſitzenden guillotinirten Leichnamen verzehren

dürfte. –

Freiburg, 2. Mai. In dem Stuve-Blind'ſchen
Prozeſſe legte man den beiden Angeklagten unter an-
dern Beweisſtücken auch einen Brief vor, den Blind
im Namen Struve’'s von der Schweiz ans an das
ſtraßburger Flüchtlingscommite geschrieben haben ſollte,
und worin Anleitungen zur Reorganifation von Aus-
ſchüſſen längs der franzöſiſchen Gränze gegeben wa-
ren. Der Brief wird dem Angeklagten vom Gerichts-
ſchreiber vorgezeigt. zs

Blind ; Bevor ich meine Erklärung darüber abgebe,
bitte ich den Herrn Präſidenten, mir zu ſagen, auf
welche Weiſe dies Schrifttück in die Hände der Un-
terſuchungsbehörden gekommen ijſt. .

Der Präſdent: Das großh. Miniſterium des Innern
hat dasselbe einge ant. .?

Blind : Das iſt unmöglich. Der Brief iſt von Ba-
ſel an ein Flüchtlingscommite nach Straßburz adreſ-
ſirt, nud nicht an das Miviſterium zu Karlsruhe. Ich
ſrage: wie kam er in die Hände Jhrer Regierung ?

Der Präſtdent blickt ſich lange in seinen Notizen
um und erwiedert eudlico;: Man hat, wie ich eben
richtig ſehe, das Schreiben in der republikanischen
Kanzlei gefunden, die zu Staufen von den Soldaten
Ia, ja, so iſt es . . .

Blind: Das iſt nnnöglich und uuwahyhr. Der Brief
war ja bereits von Baſel abgesandt; er muß den be-
treffenden Poſiſtempel tragen. Wie ſollte er plöglich
von Straßburg in ein Felleiſen der proviſoriſchen Re-
gierung nach Staufen kommen ! Jene Kanzlei befand
ſich zudem unter meiner Leitung; ich weiß beſtimmt,
daß dieser Brief, den ich geschrieben haben ſoll, nicht
in dieſer Kanzlei war. .: !!
 
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