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Die Republik — 1849

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No. 78 - No. 101 (1. April - 29. April)
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die dreiſpalt. Petitzeile 2kr. /



Die Republik.

„„Für das Volk und gegen seine Bedränger.'f

Beſtellung wird gemacht in
Heidelberg in der Buch-
druckerei von Renner n.
Wolff und bei Kaufmann
Berner; auswärts bei
allen Poſtämtern. Briefe
werden frankirt erbeten.





K~ 89),

Die Lage der Dinge in Frankfurt.

S Frar: kfurt, 12. April. Die Antwort des Königs
von Preußen an die Deputation der deutschen Nationalver-
ſammlung hatte, wie überall, so auch im Parlamente den
tiesſcen Unwillen erregt, und namentlich auch auf der rechten
Seite des Hauſes, unter der erbkaiſerlichen Partei. Die
Stimmung war ſo entſchicden, daß man mit Recht auf eine
energiſche Haltung des Parlaments und überhaupt auf eine
erfreulichere Wendung der Dinge hoffen konnte. Die Linke
insbesondere faßte neuen Muth und neue Zuverſicht, daß es
ihr, wie in der letzten Zeit, so auch fernerhin gelingen werde,
ihren Ansichten Geltung zu verschaffen, und die Entwicklung
unserer politischen Verhältniſſe in neue Bahnen zu leiten.
Sie hegte namentlich die Hoffnung, daß die Oberhauptsfrage,
welche durch die ablehnente Antwort des Königs von Preußen
faktisch schon erletigt war –~ tenn bei dem Erbkaiſrrthum
hatte kein Menſch an jemand anders, als an den König von
Preußen g.dacht ~ auch in der Verfaſſung eine Brränderung
erleide, und ſie glaubte daher, tarauf hinarbeiten zu müſſen,
daß zwar die sonstige Verſaſſung aufrecht erhalten, aber der
Punkt bezüglich des Oberhaupts vorderhand wenigstens offen
gelaſſen würde. Es ſtellten ſich ſedoch diesem LWWunſche sofort
die größten Hinderniſſe entgegen. Zuvörderſt konnte man bald
bemerken, daß die erbkaiserliche Partei nicht geſonnen sei, ge-
rade an diesem Punkte der Verfaſſung eine Aenderung vorzu-

nehmen. Und wenn diese nicht darauf einging, so war schwer-

lich eine Majorität zu erlangen. Zwar konnte die Linke tie
Coalition (Verbindung) mit der öſterreichiſchen Partei wieder
aufnehmen, und wenn ſich sodann diejenigen Mitglieder der
Linken, welche für den Erbkaiſer gestimmt yatten (nicht aus
Grundsatz, sondern aus Gründen der Zweckmäßigkeit, wie ſie
wenigstens meinten), mit der Linken wiederum vereinigten, ſo
war vielleicht eine Ausſicht zum Siege vorhanden. Allein es
zeigte ſich bald, daß die öſterreichiſche Partei nicht darauf ein-
gehen werde, die übrige Verfassung aufrecht zu er-
halten. Ihre Stellung war eigentlich immer eine ver-
neinende, und nur um den Erbkaiſer unmöglich zu machen,
hatte ſie früherhin für Anträge der Linken geſtimmt. ®Die Auf-
rechthaltung der Verfaſſung aber an ſich, ſelbſt mit Ausſchluß
des Erbkaiſerthums, war ihr gleichgültig, zumal jetzt, da das-
ſelbe doch nicht ins Leben treten konnte. So ſtanden die
Sachen, als die Mittwo-hssitzung begann, und man konnte ſich
ſchon vorher ſagen, daß der Wunſch der Linken, die Verfaſſung
zu retten, jedoch mit Ausschluß des Erbkaiſerthums, nicht in

î Erfüllung gehen werde..

Nichts desto weniger brachte ſie ihre Anträge ein: zunächſt

die äußerſten, welche auf die Niederſeßzung eines Vollziehungs-
Ausschusses , sofortige Ernennung eines verantwortlichen Prä-
identen, Einberufung eines neuen Reichstages abzielten. Sie
alle wurden jedoch verworfen. Sodann hatte Kierul f aus

Roſtock in Verbindung mit Vogt einen Antrag geſtellt, welcher
dahin lautete, taß die Rationalverſammlung erkläre, unver-
brüchlich an die Verfaſſung festzuhalten ; ferner, daß ein Aus-
ſchuß von 30 Mitgliedern zu ernennen sei, welcher über das

Resultat der Berliner Depuiation Bericht zu erſtatten und
zugleich Vorlagen zu machen habe, auf welche Weise die

Reichsverfaſſung einzuführen ſei. Zu dieſem Antrage hatte

_ Ahrens aus Salzgitter einen Verbesſſerungeartrag geſteilt, dahin

Sonuutag, 15. April.





1.849.

gehend, daß zwar an der Verfaſſung festzuhalten sei, aber mit
Ausſchluß der Oberhaupsfrage.

Nicht alle Mitglieder der Linken waren mit diesem Antrage
einverſtanden, aus den oben angeführten Gründen : sowie man
nämlich, meinten sie, an einem Theile der Verfassung rüttle, so
würden die anderen Parteien das gleiche Recht für ſich in An-
spruch nehmen, und die Veränderung solcher Punkte beantragen,
welche zu Gunsten der Volksfreiheit sprechen, und in diesem Falle
war zu besorgen, daß die öſtreichiſche und die preußiſche Partei,
wie sie früher zuſammengegangen, auch jetzt wieder miteinander
ſtimmen würden. Aber der größte Theil der Linken stimmte doch
für den Ahrens’ſchen Antrag , weil sie ihre Grundsätze nicht gar
zu sehr der Zweckmäßigkeit hintanseten wollte, namentlich die
äußerſte Linke, mit Ausnahme von blos einigen Mitgliedern.
Der Antrag erhielt aber nur 106 Stimmen, während 328 da-
gegen waren, und die dafür Stimmenden gehörten mit sehr we-
nig Ausnahmen der Linken an; besonders auffallend war, daß
von der öſtreichiſch-ultramontanen Partei die Hauptmaſſe dagegen
und nur höchstens 12 dafür stimmten — ein deutlicher Beweis,
daß es dieser Partei nicht um die Verfassung zu thun iſt, im
Gegentheile, daß sie diese nicht wünscht; wäre sie ihr genehm,
so hätte sie für diesen Antrag, der ja die Oberhauptsfrage frei
läßt, recht gut stimmen können.

Nachdem nun der Ahrens'ſche Antrag, und hiermit die Aen-
derung der Oberhauptsfrage verworfen worden war, kam der
Antrag von Kierulf und Vogt zur Abstimmung. Für diesen glauöte
nun die überwiegende Mehrheit der Linken stimmen zu müssen.
Denn da einmal dem politischen Gewissen durch den Ahrens'ſchen
Antrag Genüge geschehen war, da man gesehen, ſdaß man mit
der Aenderung der Oberhauptfrage zugleich mi t der Verfassung
nicht durchdringen konnte, so war nichts natürlicher, als vaß
man darnach trachten mußte, die Verfassung zu retten, was nun
ohne das Erbkaiſerthum nicht mehr möglich war. Ein kleiner
Theil der Linken (33 an der Zahl) darunter 22 von der äußer-
ſten, war jedoch nicht dieser Meinung. Diese glaubten, an ih-
rem Prinzipe, mit dem ſie jedoch bereits unterlegen waren, we-
nigſtens in so ferne feſthalten zu müssen, daß ſie alles Andcre
verneinten. In dem vorliegenden Falle aber, wo es ſich darum
handelt, daß das Parlament der Reaction gegenüber geſschlossen
daſtehe, wo es doppelt noth thut, daß die Parteien ſich vereini-
gen, um der Reaction keine Lücke zu laſſen, wo ſie durchbrechen
könnte, halten wir es nicht für gerathen, an dem Principe, das
man doch nicht zum Siege bringen kann, ſo ſtarr feſt zu halten,
daß dadurch niemand weiter, als der Gegner, gewinnt. Wäre
auch der Kierulf - Vogtiſche Antrag gefallen, so hätte das Parla-
ment wiederum das Schauſpiel von Rathloſigkeit und Zerfahren-
heit gezeigt, welches dasſelbe schon öfter dargeſtellt, und dieses
ware gerade im gegenwärtigen Augenblicke den Regierungen dop-
pelt erwünſcht gewesen. Uebrigens iſt das Erbkaiserthum, wie es
in der Verfassung ſteht, nunmehr doch nichts weiter, als bloße
Theorie , in die Wirklichkeit wird es doch wohl nicht übergehen.
Warum uuill man nun , wenn man die Hauptsache, nämlich die
Verfassung, retten kann, nicht auch noch die paar Buchſtaben
Kaiſerthum- mitnehmen, von denen man weiß, daß das, was
ſie bedeuten, eben doch nur auf dem Papiere ſteht. Das Näch-
ſte und Widctigſte iſt, daß die Nationalverſammlung zuſammen-
hält, und daß sie jene Energie und Entschiedenheit erlangt, welche
nothwendig iſt, um den kommenden Stürmen zu begegnen. Und
dazu iſt alle Aussicht vorhanden. j

Die yreußiſche Partei machte sofort der Linken die Conceſſion
 
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