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Die Republik — 1849

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No. 51 - No. 77 (1. März - 31. März)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44148#0245

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Erſcheint Montags ausge-
nommen täglich. In Heidel
berg vierteljährig 45 kr

Z Die Repub

ganzen Großh. Baden l fl.
10 kr. Bei Inseraten koſtet
die dreiſpalt. Petitzeile 2kr.



„Für das Volk und gegen seine Bedränger.'"

Beſtellung wird gemacht in
Heidelberg in der Buch-
druckerei von Renner u.
Wolff und bei Kaufmann
Berner; auswärts bei
allen Poſtämtern. Briefe
werden frankirt erbeten.







N= 61.

Dienstag, 13. März.

1849.



Deutſchland.

[ Seidelberg, 12. März. Es iſt bekannt, aus
welchen Leuten die vaterländiſchen Vereine beſtehen. Gutmü-
thige Schwärmer für konſstitutionele Monarchie ſind die ge-
ringere Zahl; weitaus die Mehrzahl bilden theils Ang s-
männer, die in ihrer geſpenstiſchen Furcht vor Unruhe und
Unordnung ſich an diese Vereine, als die einzigen Rettungs-
anker, anklammern, theils alte Ser vile vom reinſten Waſſer,
die ſo lange den konſtitutionelen Mantel umhängen, bis die
Zeiten für ſie wieder beſſer werden. Wenn wir diese beiden
Arten von Vaterlandsmensſchen in den vorjährigen Revolu-
tionsftürmen beobachteten, wie ſie in aller Eile Rieſen-Kokar-
den vorſteckten und mit vollen Backen in den Ruf nach Frei-
heit und deutscher Einheit einſtimmten, so konnten wir die
politiſch theilnahmlosen Philiſterſeelen nur mitleidig beläch-
eln, die heuchleriſchen Reaktionäre, aber mußten wir vera ch-
ten. Wahrhaft empörend aber iſt es, wie dieſes feige Reak-
tionsgesindel ſich jezt in den Vaterlandsvereinen gebährdet,
ſich als die wahren und einzigen Volksfreunde binſtellen will,
wie dieſes Gelichter den Volksvereinen gegenüber ſich auf das
hohe Roß eines catoniſchen Sittenrichters ſetzt, obgleich doch
alle Welt dieſe Vögel genugſam kennt und weiß, daß ihnen
das Vaterland nicht mehr gilt, als den Sperlingen der Kirſch-
baum, daß ihnen die Freiheit sſo wenig zusagt, als den Culen
das Tageslicht, daß ihnen die Volkswohlfahrt ſo gleichgültig
- als einem ägyptiſchen Brütofen die dem Ei entſchlüpften

ungen.
doch ich komme zur Sache; ich will etwas zur Erheite-
rung bringen, indem ich dem Mannheimer Journal eine Nach-
richt aus Baden-Baden entnehme, und ſie weiter verbreite zur
allgemeinen Luſt und Freude. :

Die dortigen Hausbesiter, bei denen, wie hier bei Herrn
Henking, der obere Stock le er iſt, tie Leute der Furcht,
Hoffnung > die Philiſter ~ die Geldſäcke, die Schreibſtuben-

menſchen und die yetiat Guckeriſchen Unterthanen yaben

nämlich einen Vaterländiſchen Verein gegründet, und zeigen
dieſes wichtige Ereigniß unter Anderm mit folgenden großar-
tigen Redensarten an: „„Wir ſind entſchloſſen, mit dem besten
Willen und größter Energie aufzutreten, um die bekannten
Grundsätze der Volksvereine zu bekämpfen, um Ordnung und
Sitte (!), und Freiheit (1) und Wohlstand (d. h. für ihren
Beutel) zu ſchirmen vor einem wühleriſchen Haufen, der mit
dem Programm Brentano’s in der Hand, das Vaterland in
Gefahr zu brit.gen droht.“ Der vaterländiſche Korreſpondent,
der den feierlichen Akt der Gründung des Baptiſten- Vereines
beschreibt, fährt dann ſehr poſſierlich fort: „ In aller Augen
war dieſer Entſchuß zu leſen , Einer drückte dem andern hrü-
derlich die Hand mit der Gelobung, kein Opfer zu ſcheuen,
Gut und Blut daran zu wagen, die Grundsätze der Bater-
ländischen Vereine durchzuführen und wie ein Bund von Frei-
maurern zuſammenzuhalten in dieser bewegten Zeit, ſich zu



halten und zu ſtärken in der Stunde der Noth, und mit Wort
und That zu wachen für Freiheit und Ehre unseres Vater-
landes. -- ,

Is solche Sprache nicht eines Brutus würdig ? Klingt
ſie aber in dem Mund eines deutſchen Spießbürges, gewiß
des erbärmlichſten Geschöpfes, nicht wie Hohn ? Mich wenig-
ſtens haben die Fliegenden Blätter sammt dem Eulenſpiegel
und den Leuchtkugeln noch nie m e h r zum Lachen gebracht,
als dieſe Kraftſprache des deutſchen Spießbürger-Patriotismus.

Heidelberg, 12. März. Wir haben letzthin von
einem Aufſtande in Orb berichtet, und konnten damals die
näheren Umfſtände, so wie die Ursachen nicht mittheilen.
Heute iſt uns dies möglich geworden. Der Fränkische Omni-
bus schreibt nämlich hierüber, aus Orb vom 2. März

Wir hatten gestern von Seite des hier ſtationirten Mi-
litärs eine Behandlung zu erdulden, wie uns in den Kriegs-
jahren von feindichen Horden nicht widerfahren iſt. Ein
zwiſchen dem hiesigen Burſchen Stock und einem Soldaten
entſtandener Streit gab die Veranlaſſung. Stock wurde auf
die erbärmlichſte Art zugerichte. Ein Hieb über die Augen

raubte ihm das Augenlicht, mehrere Hiebe ſpalteten ihm den

Schädel und das Kinn, Finger wurden ihm abgehauen, die
Arme zerſchlagen und hätten ihn alle Hiebe getroffen, ſo wäre
Stock in Stücke zerhauen worden. Auf jeinen Hülferuf ver-
sammelten ſich viele Perſonen. Die Soldaten weyten die Sä-
bel an den Steinen und hieben auf die Menge ein, Greise
ſchleiften ſie auf der Straße herum, Frauenzimmer rissen ſie
nieder und mißhandelten ſie, ſo daß viele krank zu Bette lie-
gen. Kein Wunder, daß auch der friedlichſte Bürger vor
Wuth entbrannte. Heute Nachmittag verſammelten ſich die
Bürger , um die Entfernung des Militärs zu erwirken. Cs
gelang, Das Militär zog + begleitet von den Verwün-
schungen einer sonſt friedlichen Bevölkerung ab , konnte aber
auch jetzt noch seine Tücke nicht laſſen. Daſſelbe kehrte ſich
und ſchoß auf die verſammelten Leute, meiſtens Kinder und
Frauen. Wie man bis jetzt gehört hat, ſind sechs verwundet.
Der fernere Abzug des Militärs war der ſchimpflichſte und
glich einer wahren Flucht.

LPC Frankfurt, s. März. Als die Linke im vorigen
Jahre beantragte, einzelne Beſtimmungen aus dem vom Ver-
faſſungsausschuſse vorgelegten Entwurfe der Grundrechte beraus-
zuheben, und vor allem andern feftzuſtellen, zeigte ſich Herr
Beſeler sehr bekümmert um die Zerreißung seines grund-
rechtlichen Syſtems. Leider war der begeisterte Profeſſor nicht
im Stande, dies Syſtem näher zu begründen. Er kämpfte
vergeblich und es gelang der Linken , manches wichtige Recht
des Volkes vor dem vollen Cinbruche der Reaction durch ſeine
Erhebung zum Gesetze zu befeſtigen. Auch die Berathung des
Reſtes der Grundrechte, welche jetzt bereits in zweiter Leſung
vor ſich geht, hat keine Veranlaſſung gegeben, den Verlust des
Syſtems Beseler als ein Unglück zu beklagen. Indessen wird
es gut sein , die dort willkührlich aneinander gereihten Säge
 
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