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Die Republik — 1849

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No. 78 - No. 101 (1. April - 29. April)
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î Erscheint Montags augen.
nommen täglich. InHeidele
berg vierteljiährig 45 kn.
Durch die Poſt bezogen im
ganzen Großh. Baden 1 fl.

10 kr. Bei Inseraten koſtet

die dreiſpalt. Petitzeile 2kr.

Beftellung wird gemacht in
Heidelberg in der Buch-
druckerei von Renner n.
Wolff und bei Kaufmann
Berner; auswärts bei
allen Poſtämtern. Briefe
werden frankirt erbeten.







r;
H O.
N~ 88,

Auch etwas für unsern lieben vaterländiſchen Verein.

Obgleich ich sonst, meine Herren Vaterländler, meine Zeit
beſſer anzuwenden gewohnt bin, als mit Euch zu correſpon-
diren, so hat mich doch Eure jüngſte rErwiederung-- veran-
laßt, von dieser Regel eine Ausnahme zu machen (es ſoll auch
ſobald nicht wieder geschehen); und zwar aus dem Grunde,
weil dieses neueſte Produkt Cures loyalen Fleißes ſo manche
Stellen enthält, welche für den Werth Eurer vaterländisſchen
Gesinnung (?) bezeichnend ſind, und welche es ſich der
Mühe verlohnt, öffentlich etwas zu beleuchten. Ich bemerke
im Voraus, daß es mir sehr lieb sein wird, wenn auch dieser
Aufsatz Cuch veranlassen sollte , Euch „hintendrein tie Hände
zu waſchen--; es würde das jedenfalls beweisen, daß a n meiner
Schrift Et wa s i t ~ was man von den Curigen nicht eben
behaupten kann.

Wie in allen Euren Erzeugnissen, ſind auch in diesem
Kraut und Rüben unter einander gemengt, Alles bei den
Haaren herbeigezogen, was nur irgend Euch Gelegenheit bie-
ten kann, Euer ſtumpfes Schwert gegen uns zu ſchwingen.
Es iſt Euch unmöglich, von einem Prinzipe auszugehen und
dieſes durchzuführen ~ sehr begreiflich, da Jyr überhaupt keins
habt, wie ich Euch später zeigen werde Hecker, Feuerbach,
die Sinsheimer, Robespierre, Simon, Sokrates – kurz Alles
muß her halten, um Eure edlen Bestrebungen für „Ruhe und
DOrdnung-. begründen zu helfen. Es iſt daher nothwendig,
daß ich diesem Gedankengange (?) folge, und das Einzelne
in Eurer „Erwiederung-. berückſichtige, um es Punkt für Punkt
zu beleuchten.

Zuerſt haben wir alsc „das deutsche Volk um die ſchön-
ſten Früchte der Revolution gebracht... Es wundert mich
wirklich, daß Ihr Vaterländler gar das von Euch so verab-
scheute Wort ,, Revolution “ in den Mund nehmet, daß Ihr
sogar für dieſe Revolution gegen uns auftretet, und uns den
Vorwurf machet, daß wi r das deutſche Volk um ihre Früchte
gebracht hätten. Solltet Ihr vielleicht nachträglich darüber
Reue empfinden, so könnt Ihr Euch beruhigen : denn es war
doch immer noch keine Revolution, ſondern höchſtens ein An-
lauf dazu. Aber sagt uns doch Ihr Herren „ wer hat denn
eigentlich diese „Revolution- gemacht? Etwa Ihr und Eure
Partei; die weiland „ gemäßigt Liberalen-, die Männer des
rbürgerlichen Freiſinns und des gesetzlichen Wegee-: ? O geht
doch? Ihr ruhigen Bürger habt nie eine Revolution gemacht
und werdet nie eine machen. Freilich, die erſte halboffizielle
Verpfuschung der „Märzrevolution--, das Vorparlament, beſtand
ſchon zum größten Theile aus Leuten von Eurem Schlage ;
aber sagt einmal aufrichtig, wäre nicht Euer vrevolutionäres--
Vorparlament mit Bajonetten auseinander gesprengt, wären
nicht Eure Gagern , Welker, Eure Bieder- und Baſſermänner
als Majeſtätoverbrecher und Hochverräther eingeſtectt worden
— wenn nicht vorher jene Leute, welche bei Euch je nach den
Umständen „-das edle Volk, das brave Volk- oder die rohen
Haufen , das zuſammengelaufene Geſindel-- heißen, in Karls-
ruhe, Darmftadt und anderswo die Regierungen eingeſchüchtert,
wenn nicht dieselben Leute in Wien und Berlin ihre Bruſt
den Kugeln greisgegeben hätten; während Ihr „ruhigen Bür-
ger V/ und jr gesetzliche Fortschrittsmänner -- in Euren Häuſern
und im Schooße Eurer Familie zitternd den Ausgang des
Kampfes abwartetet, bis es die Nothwendigkeit Euch gebol,



| den Siegern Euch anzuschließen ?!







] V49.

~ Und hat Euch denn
dieſes brave Volk-.. oder nzuſammengelaufene Geſindel-. damals
ſo genau gesagt, was es denn eigentlich mit der „Märzrevo-
lution-- gewollt, was es für „Früchte- von derselben erwartet
hat ? Freilich hat es zuerſt in seiner politiſchen Unkenntniß,
in seinem Mangel an Selbſtvertrauen – den es schwer genug
gebüßt hat ~ Eurer Partei die Leitung seiner Angelegenheiten
anvertraut; hat aber nicht dasselbe Volk (bitte um Verzeihung z
ſoll heißen: Raubgeſindel), das im März zum Theil nur „con-
ſtitutionelle Freiheiten- verlangte, im April für die Republik
gekämpſt ? Hat nicht daſſelbe Volk (Raubgesindel), das im
März zu Eurer Freude nur den Metternich vertrieben hatte,
im Oktober für die Zertrümmerung der Gesammtmonarchie
Others und für die Freiheit dreier Nationen den Helden-
ampf gewagt.

Und hat nicht daſſelbe Volk CRaubgesindel), das die
glorreichen (siegreiche) Februarrevolution vollführt hat, im
Juni unter dem Rufe: „Arbeitend leben oder kämpfend ſster-
ben !-, in dreittägiger Waffenſchlacht die Exiſtenz der ganzen
r Gesellſchaft-- in ihrer jetzigen Form auf das Spiel geſett ?
Ihr beruft Euch uns gegenüber so gern auf die G eſchichte,
ſtudiert sie doch eim wenig genauer, und Ihr werdet finden,
daß eine Revolution (deren Berechtigung Ihr ja anerkennt)
ni e mit Cinem Schlage beendigt war, daß eine Bewegung
ſtets fortſchreitet und je mehr Hindernisse ſie findet, deſto ge-
waltiger wird; daß die vorzeitige Beendigung einer Revolu-
tion nur dadurch möglich iſt, daß man die alten Zuſtände zu-
rückführt, ja noch darüber hinausgeht ; daß endlich alle Dieje-
nigen, welche ſich dem Fortschreiten der Bewegung entgegen-
ſtemmen, nothwendig zu ihren Feinden werden. Die Beiſpiele
dazu findet Ihr an der engliſchen und erſten franzöſiſchen Re-
votution ; Jyr findet ſie an unſeren eigenen Zuſtänden, Ihr
findet ſie noch deutlicher bei unseren Nachbarn, in der franzö-
ſiſchen Republik, wo es allerdings dahin gekommen iſt, daß
die Zuſtände jetzt ſchlechter als unter Louis Philipp ſihnd ;>
was Ihr eigentlich perfid genug der Republik an ſich zuzu-
ſchreiben pflegt. Vergleicht dieſe Thatsachen etwas unter et-
nander — und JIyr werdet vielleicht ſinden, daß auch unſere
Revolution weder mit einem Reichsminiſter Gagern und Un-
terſtaatsſecretär Baſſermann, noch mit einem preußiſchen Erb-
kaiſer als beendigt anzuſehen iſt.

Cs iſt wahr, im März ging ein großer Theil unserer
Partei im Volte noch nicht ſo weit als jet. Aber geht doch
einmal mit Cuch ſselbſt zu Rathe, Ihr Vaterländiſchen : seid
denn Ihr damals ſo weit gegangen als jetzt? Habt JZhr
vgeſetzlichen Bürger- im März gedacht, daß Ihr Belagerungs-
zuſtand, Standrecht, Oktroyirung und jede mögliche Rechtsver-
legung gutyeißen, daß Ihr über den Fall und die Verwüftung
der erſten Stadt Deutſchlands frohlocken, daß Ihr zu Ehren
deſſelben Königs, den Ihr im März mit uns verachtet und
verſpottet habt, mit Feſteſfen uud Glockengeläute Jubel anſstim-
men würdet ? — Das gerade iſt die tiefe Bedeutung der Re-
volution, daß ſie Jeden zwingt, auf eine Partei zu treten, daß
ſie keine Mittelspartei duldet, daß ſie alle Schwachköpfe zur
offenen Reaktion hinübertreibt, daß sie die ganze Nation, ja
die ganze civiliſicte Menſchheit in zwei Parteien theilt, in
eine Partei der Wahrheit, des Muthes , der Liebe und in
eine Partei der Lüge, der Feigheit und des Egoismus. Wir
ſtehen auf der einen, Ihr auf der andern Seite.

Waſchwaſſer her! zum erſten Male!
 
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