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Die Republik — 1849

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No. 78 - No. 101 (1. April - 29. April)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44148#0343

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ganz erfreut über ein so zahlreiches Auditorium, schickte ſich
an, die Präſidentschaft zu übernehmen. Im Augenblicke, wo
er auf dem Präſidentenſtuhl sich niedergelasſen, ertönte von

allen Seiten der Ruf : „Es lebe die ſozial-demotratiſche Re-

publik !-

Dieser unerwartete Ruf lähmte die Zunge des Präſiden-
ten. Der Bürger Drevet beſtieg die Rednerbühne, und
gab in einer beißenden Rede sein Erſtaunen kund, als Präſi-
denten einen Mann zu erblicken, der schon längſt in Madrid
ſein sollte, wo er als Gesandter hingehöre. Napoleon Bona-
parte blieb ſtumm; das Wahlcomite, das im Namen der
Napoleoniſchen Partei zuſammenberufen war, verwandelte ſich
auf der Stelle und vor den Augen des Präſidenten in ein
demokratisch - ſociales Comite. Bonaparte iſt den andern Tag
nach Madrid abgereiſt.



Auch etwas für unsern lieben vaterländiſchen Verein.

Zweiter Artikel.

Ich werde mir die Mühe nicht verdrießen laſſsen, in eurer
Erklärung sortzufahren; ich laſſe euch nichts paſſiren.

Was die jett folgende, gleichſam hineingeſchneite Epiſode
über die vorjährigen Volksverſammlungen und Auiſtände be-
trifft, so will ich nur einfach darauf hinweiſen, daß ihr den
Demokraten eine wahrhaft übermenſchliche Thätigkeit und Aus-
dauer zutraut, wenn ihr glaubt, wir könnten eine „Claque-
von 10 ~ 20,000 Menschen in der kürzeſten Zeit organiſi-
ren. Schreiber dieſes hat nirgends eine Claque gesehen, als
auf der Volksverſammlung in Heidelberg am 26. März, wo
die darmſcädter kornblauen Emiſſäre des edlen Gagern aus
allen Kräften schrien: wir, (d. h. ſie selbſt! ) seien nicht reif
zur Republik. ~ In Betreff der Aufstände habt ihr Recht,
daß unsere Partei damals nicht genug Energie der That be-
ſaß, um ihre Sache durchzuführen; ihr ſtimmt in diesem
Punkte ganz mit Hecker überein. Wir versichern euch, daß
wir es bei der nächſten Gelegenheit entschieden beſſer machen
werden.

Folgen nun die bckannten phraſsenreichen Deklamationen
gegen die Linke des Franffurter Parlaments. Wir ſind weit
entfernt, die Handlungsweiſe dieser Mränner in jeder Hinſicht
zu vertreten: ſie hätten fich weit mehr mit dem Bolke in Be-
ziehung setzen, sie hätten ſich nicht von jedem Aufstand ferne
halten, sie hätten keinen „ Märzverein- gründen, ſie hätten
endlich ſchon längſt aus diesem Parlamente austreten follen.
Es iſt überhaupt nur ein Beweis von eurer Beſchräuktheit,
wenn ihr glaubt, mit Auefällen auf Personen hättet ihr unsre
Sache angegriffen und uns einen schweren Schlag versetzt.
Nein, ihr Herren, wir hängen nicht an Personen; von uns
iſt die Nothzucht mit den Wörtern: redel- und „Vertrauen-
nicht auegegangen; wir betrachten die Politik nicht als eine
Gelegenheit zur Renomage mit „edlen Gefühlen-, mit Küſſen
und Umarmungen; uns gilt eine Persövlichkeit nur so lange,
als sie unser Prinzip vertritt. Das iſt euch freilich
ſchrecklich, ihr „gemüthlichen- Politiker; bei euch iſt in einem
edlen Gagern und leidenschaftloſen Baſſermann der Inbegriff
eurer Grundsätze enthalten. Ihr sagt es weiter unten ja ſselbſt :
„daß die Menschheit sich da am wohlsten befinde und am edel-

ſten entwickle, wo die weis e ſten und besten Mensch ein j

am Ruder stehen, mag nun der Zuſchnitt (die Schneider-
politik! !! ) monarchiſch, constitutionel oder demotratiſch sein..
~ Die weiseſten und beſten Menschen! Wenn der Kaiser
von Rußland einer von den r weiſceſten und beſten Menſchen-.
iſt + und daran werdet ihr nicht zweifeln, denn klüger als
ihr iſt er jedenfalls, und die „Ordnung-- verſteht er vortreff:
lich aufrecht zu erhalten ~ so hat Rußland eine herrliche
Verfaſſung, und die Ruſſen werden sich ohne Zweifel wohl
befinden und sich edel entwickeln.y Am beſten wäre es, man
machte gleich den Präsidenten des vaterländischen Vereins zum
deutschen Kaiser, die Mitglieder zu deſſen unverantworlichen
Ministern und sparte die Verfaſſung. Ein Königreich für ſo
tifſinnige Prinzipien! Die .- weiseſten nnd beſten« Menſchen





am r, Ruder - des beliebig „ zugeschnittenen - Staatsschiffes !
Wie rührend, wie kindlich, wie ratriarchiſch! Ich erinnere
mich wirklich terartiger Grundſätze noch von der Kinderſchule
her. Nehmt's nicht übel, ihr Herren, für ſo intelligenzlos
hätte ich euch doch nicht gehalten. Ich rathe euch, ſchickt die-
ſen Saß in Spiritus (damit er doch mit Geiſt in Berührung
kommt ) an das künftige Reichsraritätenkabinet, und ſchreibt
darauf zum Andenken für ewige Zeiten: Gruntſätze des vater-
ländischen Vereins zu Heidelberg, Anno 1849.

Doch ich wolte ja von den Prinzipien der Linken spre-
<en, und von der Art, wie ihr ſie beurtheil. Wir hören
alſo von euch „ echten Vaterländlern - zum neunhundert neun
und neunzigſten Male die abgeſchmackte Lüge, die Linke und
unsere geſammte Partei habe das g ro ße Vaterland (Klein-
deutschland ? ) verrathen.# „Ist es ~ ruft ihr pathetisch aus
~ keine Vaterlandsverrätherei, wenn man bald mit Franzo-
ſen, bald mit Polen, Italienern und Panduren liebäugelt, u.
ſ. w. O warum habt ihr denn die Reihe so kurz gemacht,
ihr hättet ja ſo viele „vaterländiſche “ Nationen noch hinzufü-
gen können! Zum Beiſpiel die Tschechen, Slovaken, Serben,
Hannaken, Kroaten und Ruthenen! Und die kopfabſchneiden-
den Sareczaner! Und gar die Beförderer aller Kultur und
Freiheit, die Russ en! Empfindet ihr keinen Ekel vor euch
»ſelbſt, wenn ihr uns diese abgedroſchenen Phrasen in's Geſicht
werft in einem Augenblicke, wo durch den Verrath eurer
Partei neun Millioneu Deutſche von Deutſchland losgeriſsen
und dem ſslaviſchen Absolutismus preisgegeben ſind ? Wo
Deutschland dem Schickſale Polens, der Th eilung in einer
ſchwarz-gelben und ſchwarz-weisen abſolute Monarchie entgegen-
geht ?

Wer hat denn die Wiener Revolution,. welche allein
Oesterreich uns erhalten konnte , beschimpft und verläſtert ?
Wer hat ſich vor Freude die Hände gerieben, als die ,vater-
läntiſchen‘“ Kroaten in Wien einzogen ? Wer hat noch neulich
die Keckheit gehabt, von den öſterreichiſchen Abgeordneten, g e-
gen den Willen ihrer Wähler, den Austritt aus dem Parla-
mente zu verlangen, blos Euren Kaiserpoſſen zu lieb ? Wer
triumphirt denn über jeden Sieg, den die Herren des Despo-
tismus durch ruſſiſche Hülfe oder durch Verrath über freie
Bölker erringen ?

Nicht wahr, die Wiener Studenten und Arbeiter ſind
elende Rebellen; aber die öſterreichiſchen Soldaten in Italien,
das sind ,, deutsche Brüder ‘“’, denen man den Sieg wünſchen
muß! O Jhr seid doch konsequent! ~ Laß es gut sein, Eure
wvvaterländiſchen- Grundsätze haben doch einen kleinen Hacken;
te.n erſt, wenn Ihr eine Deputation nach Olmüy geſchickt
habt, um das Ministerium von der Berufung der Ruſſen ab-
zumahnen, dann erſt will ich glauben, daß Ihr selbſt ,„vater-
ländiſch‘“ und nicht auch reactionär , d. h. taß Ihr blos bor-
nirt und nicht auch ſch le ch t seid. Seht, unſre Feinde waren
von Anfang an klüger als wir; ſie wußten wohl und wiſsfen
noch, daß der Kampf der Prinzipien nicht innerhalb der Na-
tionalitäteſchranken ausgeführt werden kann ; unt lange schon
waren die Völker vom Netze der heiligen Allianz umſtrickt,
als sogar noch die demokratiſche Partei überall von der ,,selbſt-
ſtändigen Erhebung ohne fremde Hülfe“ faſselte. Nun, die
Sache iſt anders geworden: die ,,selbſiſtänrigen Erhebungen“
ſind unterlegen, und das Schicksal der Revolution kann nur
noch durch den a llgemeinen Krieg entſchieten werden.
Ja bört es, hört es mit Schrecken: wenn unſre Partei in
éFsrankreich es dahin gebracht haben wird, daß Frankreich dem
kämpfenden Italien zu Hülfe kommt, wenn tann auch dem
ſchwarzweißen Kaiser seine Collegen zu Hülfe kommen und der
Krieg ein allgemeiner werden sollte – so werten wir den
franzöſiſchen Herren nicht allein Sieg wünſchen, sondern wir
werden in Gemeinſchaft mit den Franzosen und allen revolu-
tz s Völkern gegen unsre ,,deutſchen Brüder in Uniform’
eyn. ; ;

Wir kennen kein Vaterland ohne Freiheit; wir ,,retten“
das Vaterland nicht auf Koſten der Freiheit, ſo wenig wie
das Leben auf Koſten der Ehre.
 
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